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Jugend und AlkoholTrinkende Sündenböcke

Flatrate-Partys sind in. Einige Jugendliche trinken schneller und härteren Alkohol. Insgesamt jedoch sinkt der Konsum. Experten warnen vor Übertreibungen.

Das poppt: Ein beherzter Griff zur Flasche ist bei einigen Jugendlichen angesagt Bild: AP

Jugendliche, die mit Alkoholvergiftungen in der Notaufnahme landen, sorgen seit Monaten für Schlagzeilen. Nicht ohne Grund. Nach Angaben der Fachstelle für Suchtprävention wurden 2005 rund 200 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 19 Jahren mit einer Alkoholvergiftung in Berliner Krankenhäuser eingeliefert - doppelt so viele wie im Jahr 2000. Zudem landeten 74 alkoholisierte Kinder zwischen 10 und 14 Jahren in der Notaufnahme - mehr als die Hälfte davon waren Mädchen.

Hart trinkende Jugendliche

Es war eine der schlimmen Nachrichten des Jahres 2007: Ein 16-Jähriger aus Zehlendorf hatte sich in einer Kneipe im wahrsten Sinne des Wortes ins Koma gesoffen - die Rede war von bis zu 50 Gläsern Tequila. Vier Wochen später starb er. Fortan meldete die Polizei jeden Fall einer Minderjährigen, die betrunken aufgelesen wurde; Politiker forderten ein Verbot von "Flatrate"-Partys, bei denen Diskobesucher einmal bezahlen und unbegrenzt trinken dürfen. Doch ein angemessenes Gegenmittel für das Phänomen scheinbar sinnlos betrunkener Jugendlicher hatte niemand.

Dennoch bleiben solche Exzesse unter jugendlichen TrinkerInnen Einzelfälle. "Bei all der Medienberichterstattung muss man sich klarmachen, dass nur eine kleine Gruppe ein gefährliches Trinkverhalten an den Tag legt", betont der Landesdrogenbeauftragte Matthias Apel. Nur 0,1 Prozent der Berliner 10- bis 20-Jährigen landen tatsächlich mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus.

"Das Konsumverhalten hat sich verändert. Die Jugendlichen, die trinken, trinken mehr und härteren Alkohol als früher", sagt Uta Lode, Leiterin der Jugend- und Suchtberatung LogIn in Charlottenburg-Wilmersdorf. Insgesamt aber sinke die Zahl der Heranwachsenden, die trinken. 2002 waren 66,5 Prozent der Berliner Jugendlichen noch nie betrunken. Im Jahr 2006 stieg diese Zahl auf 72,5 Prozent. Das ergab die Jugendgesundheitsstudie Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) für Berlin.

"Die Medien übertreiben total, es trinken nicht mehr Jugendliche als früher", sagt auch Lutz Küchenmeister, Streetworker in Neukölln-Rudow. "Bei uns - Trinkgelage zu pauschalen Dumpingpreisen - gibt es Bier, Wein und Sekt, aber wir haben hier keine Probleme mit Alkohol", erzählt Monika Omenzetter, Pädagogin im Kurt-Lade-Klub in Prenzlauer Berg. "Natürlich gibt es Jugendliche, die sich abends vor Supermärkten oder vor dem Taxistand die Kante geben", sagt Birgit Schreiter, Sozialpädagogin eines Schülerklubs in Zehlendorf. Doch der Tod des 16-Jährigen Lukas bleibe ein Einzelfall. Der junge Zehlendorfer war 2007 an einer Alkoholvergiftung gestorben.

Den harten Alkohol trinken die Heranwachsenden oft zu Hause. "Ich hatte hier einen Jungen, der hat zum ersten Mal allein zu Hause Alkohol getrunken, und zwar gleich Tequila", erzählt Uta Lode vom LogIn. Seit die Steuern für Alkopops im Jahr 2004 drastisch erhöht wurden, mischen sich die jugendlichen Trinker die Getränke selbst, weiß Lode. Klaus Farin, Leiter des Archivs für Jugendkulturen, glaubt daher, die Steuererhöhung habe das Problem noch verstärkt: "Die Politik mit den Alkopops hat eher dazu geführt, dass jetzt noch härterer Alkohol getrunken wird, nämlich Wodka."

Die Jugendlichen trinken hochprozentiger, und sie fangen früher damit an. Laut der HBSC-Studie waren 2006 3 Prozent der Elfjährigen bereits einmal betrunken, 2002 waren es noch weniger als 1 Prozent. Die Jugend teste heute ihre Grenzen früher aus, sagt der Landesdrogenbeauftragte Matthias Apel: "So wie sie heute früher ihre sexuelle Identität suchen, probieren sie auch früher Alkohol aus."

Abhilfe bietet zum einen der Rechtsweg. So hat das Bezirksamt Lichtenberg einem Diskothekenbetreiber eine Flatrate-Party untersagt, bei der zum Pauschalpreis gesoffen werden durfte. Zwar zog der Betreiber vor Gericht, aber ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht wies den Antrag ab - mit der Begründung, dass Pauschalpreise konsumfördernd wirkten und eine Gesundheitsgefahr darstellten.

Doch dem gefährlichen Trinkverhalten kann schon im heimischen Wohnzimmer begegnet werden. "Vor allem die Eltern müssen selbstreflektierter sein und sich fragen, wie sie selbst mit Alkohol umgehen", sagt die Suchtberaterin Uta Lode. Die Medienberichterstattung habe bereits dazu geführt, dass Eltern sensibler auf das Thema reagieren und mit ihren Kinder schneller in die Beratungsstellen kommen. "Die Jugend wird zum Sündenbock der Gesellschaft gemacht. Die Sorge ist berechtigt, lenkt aber auch vom Trinkverhalten unserer gesamten Gesellschaft ab", sagt Matthias Apel.

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