piwik no script img

Jürn Kruse Mitarbeiter der WocheGabor Steingart

Illustration: Inga Israel

Nun kann Gabor Steingart sich ganz seinem „Morning Briefing“ widmen. Diesem Newsletter, in dem der Handelsblatt-Herausgeber allmorgendlich polterte. Auch wenn ein ebensolches ihm zum Verhängnis geworden sein soll, wird er wohl kaum davon lassen können.

Am Mittwoch schrieb Steingart darin vom „mittlerweile ungeliebten Parteichef Martin Schulz“, der „den derzeit beliebtesten SPD-Politiker, Außenminister Sigmar Gabriel, zur Strecke bringen und an dessen Stelle im Ministerium Quartier beziehen“ wolle. Steingart breitete wie ein Krimiautor die Tat aus: „Der andere soll stolpern, ohne dass ein Stoß erkennbar ist. Er soll am Boden aufschlagen, scheinbar ohne Fremdeinwirkung. Wenn kein Zucken der Gesichtszüge mehr erkennbar ist, will Schulz den Tod des Freundes aus Goslar erst feststellen und dann beklagen.“

Gestolpert sind nun alle: Schulz, Gabriel – und eben Steingart. Denn einen Tag nach dem Mord-Briefing meldete der Spiegel, dass Verleger Dieter von Holtzbrinck sich nicht nur bei Schulz entschuldigt habe, sondern auch Steingart loswerden wolle. Jenen Herausgeber, dem er einst drei Prozent seiner Verlagsgruppe überließ; jenen Herausgeber, der immer der Chef im Haus war – egal wer Chefredakteur unter ihm war; jenen Herausgeber, der das Handelsblatt nie verwaltete, sondern immer antrieb.

Man hätte in Düsseldorf leicht in den Verwaltungsmodus übergehen können. Darin hatten sie Erfahrung und nach dem Aus der Financial Times Deutschland Ende 2012 fehlte jede Konkurrenz auf dem deutschen Markt.

Doch Steingart war das Verwalten nie genug: Er startete Veranstaltungsreihen, launchte das Junge-Leute-Portal Orange by Handelsblatt, brachte die englischsprachige Global Edition heraus (damit man Steingart nun auch auf Englisch lesen kann, spotteten einige), brachte Unternehmen, PolitikerInnen und LeserInnen zusammen. Steingart drehte das ganz große Rad.

Sollte dieser Mann wirklich über ein paar Formulierungen im „Morning Briefing“ gestolpert sein? Wenig glaubwürdig. Das dürfte auch von Holtzbrinck klar sein. So wurde in einer Pressemitteilung der Media-Gruppe am Freitag auch ein anderer Grund für die Trennung genannt: „Differenzen in wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Fragen.“ Was auch immer damit gemeint sein mag.

Die Adressdatei des „Morning Briefings“, das nach Angaben des Handelsblatts 700.000 LeserInnen abonniert haben, darf Steingart übrigens behalten. Der 55-Jährige hat jetzt ja Zeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen