Jürgen Bönig über die Peute: „Die Schätze der Stadt“
Die SPD-Bürgerschaftsmehrheit hat sich gegen einen Kulturspeicher auf der Peute ausgesprochen. Der Historiker Jürgen Bönig hält das für einen Fehler.
taz: Herr Bönig, die SPD-Fraktion hat am Mittwoch in der Bürgerschaft die Umnutzung des GEG-Gebäudes auf der Peute zum Kulturspeicher für die Hamburger Museen beerdigt. Warum halten Sie das für einen Fehler?
Jürgen Bönig: Ich fürchte, wenn der alten GEG-Komplex nicht genutzt wird, ist eine historische Chance für den Kulturspeicher vertan. Das Peute-Gelände bietet sich an, weil es historisch wertvoll und speziell, für Lagerzwecke gebaut worden ist. Vor allem das Gebäude 19, das abgerissen werden soll.
Warum wäre so ein Depot für die Museen wichtig?
Die Museumsobjekte werden jetzt in verschiedenen Depots direkt in den Museen und in Außenstellen unter mehr oder weniger schlechten Bedingungen gelagert. Das was wir für Hamburg als Sammlung bewahren, geht immer mehr kaputt. Alle, die das Thema seit 2007 diskutieren, sagen, dass der Kulturspeicher notwendig ist. Es kann ja nicht sein, dass die Schätze der Stadt gesammelt, dann aber nicht ordentlich gelagert werden. Außerdem ist es ineffizient, dass es keinen zentrale Ort für die Sammlungsbearbeitung und Restaurierung gibt.
Nun ist das Thema vom Tisch.
Wenn die SPD sagt, dass sie den Kulturspeicher nicht mehr will, wäre das eine erstaunliche politische Erklärung. Alle Parteien haben sich dafür ausgesprochen. Mit der Peute haben wir einen Ort und es gibt sogar einen Investor, der sagt, er würde das Ganze vorfinanzieren.
Die SPD war sich zuletzt uneins, wie viele der Gebäude erhalten bleiben sollen. Johannes Kahrs, Bundestagsabgeordneter in Mitte, hat sich für den Erhalt aller Gebäude stark gemacht.
Diese Erklärung war ein Durchbruch in der Wahrnehmung des Gesamtensembles und seines Denkmalwertes. Jetzt sagt die SPD-Fraktion, die Gebäude sind für den Kulturspeicher zu klein. Wenn das so ist, macht ein Abriss weiterer Gebäude das ja nicht besser. Nach meinem Kenntnisstand wäre der Kulturspeicher in Gebäude und Gesamtfläche auf der Peute einzurichten.
Die SPD-Fraktion will nur zwei Gebäude erhalten. Warum halten Sie das für falsch?
Die Gebäude sind eine in sich funktionierende Einheit einer ersten großen Fabrik der genossenschaftlichen Seite der Arbeiterbewegung in Hamburg. Das zeigt sich daran, was dort gemacht wurde, aber auch am Baulichen. Das war in den 1920er Jahren vorbildlich für eine Produktion, die für die Arbeitenden angemessen, angenehm und fortschrittlich war. Die großen Fenster in der chemischen Fabrik zeigen, dass die Arbeitsbedingungen besonders gut sein sollten. Ist das gelungen?
59, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Museum der Arbeit und forscht zur Technikgeschichte der 1920er-Jahre.
Auf das Wohlfahrtsgebäude für die 300 Beschäftigten mit Duschen und Sozialräume war man besonders stolz. Das Wohlfahrtsgebäude hat die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority schon abgerissen, obwohl es unter Denkmalschutz stand. Durch den Erfolg dieser Genossenschaften haben sich diese Einrichtungen der Hamburger Richtung als dritte Säule der Arbeiterbewegung durchgesetzt.
Wie sieht die aus?
Das ist die Idee einer Genossenschaft, die die Versorgung der Arbeiter ermöglicht, aber nicht wie andere Genossenschaften möglichst viel Gewinn ausschüttet. Der Gewinn wurde reinvestiert in den Aufbau von weiteren Betrieben. So dass man in der Folge besser produzieren und dauerhaft günstig Produkte anbieten kann. Dieser Weg war als Nebenweg umstritten, der vom politischen Kampf abführt. Die Verhältnisse sollten auf der politischen Ebene verändert werden, nicht im Betrieb.
Wie geht es nach der Entscheidung jetzt weiter?
Es ist jetzt bis August Zeit gewonnen, die Ideen für eine Erhaltung zu prüfen, mit dem Investor zu verhandeln und die Errichtung des zentralen Kulturspeichers an dieser Stelle hoffentlich auf den Weg zu bringen. Drücken wir die Daumen für die denkmalgeschützten Bauten und die Kulturgüter in den Hamburger Museen!
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