Jüdischer Besitz: Ein bisschen Rückgabe
Winzige Reste des einstigen Reichtums: Die Erben von Emma Ranette Budge bekommen eine Jagdgöttin und ein Wappenkissen zurück, die bislang in Bremer Museen lagerten.
Eine schlanke Diana reckt ihr anmutiges Haupt in den grauen Bremer Nachmittagshimmel, neben der Jagdgöttin liegt ein verblichenes westfälisches Wappenkissen. Gestern wechselten beide Kunstgegenstände ihre Besitzer - was ihnen zum ersten Mal die Ehre des Ausgestelltwerdens in ihren bisherigen Häusern verschaffte.
Gewiss: Die Jagdgöttin ist eine schöne italienische Statue aus der Zeit um 1600, auch das Wappenkissen ist als Webarbeit der Renaissance nicht unbedeutend. Größere Aufmerksamkeit erregen sie dennoch nur als zwei der ganz wenigen Kunstwerke, die Bremer Museen bislang an die Erben jüdischer Vorbesitzer zurück gegeben haben. Auf dieser nach unten wohl noch lange offenen Skala belegen sie Rang fünf und sechs.
Diana und Kissen, die gestern von Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) an Erbenanwalt Lothar Fremy übergeben wurden, gehörten bis 1937 Emma Ranette Budge. Die ist, vor allem in Hamburg, keine Unbekannte - zumindest kennen viele ihr Haus: Es ist die heutige Hamburger Musikhochschule. Das prächtige Gebäudeensemble am Harvestehuder Weg vermittelt eine Ahnung von den immensen Reichtum, über den die Budges verfügten. Emmas in den 20ern gestorbener Mann Henry, ein Wertpapierhändler, machte sein Vermögen in den USA, wo er unter anderem die Union Pacific und Western Pacific-Eisenbahn finanzierte.
Anfang des 20. Jahrhunderts kehrte Budge nach Deutschland zurück und heiratete die Hamburger Kaufmannstochter Emma Lazarus. Im Volksmund hieß das Budge-Palais, dessen Garage ein Extra-Schlösschen darstellte, "Badeanstalt" - es hatte nicht weniger als 20 Badezimmer. Sein Spiegelsaal, 18 Meter lang und acht Meter breit, war gesellschaftlicher Mittelpunkt höchster Hamburger Kreise, selbst Caruso soll dort gesungen haben. Heute ist der Saal, sorgfältig rekonstruiert, Teil des Hamburger Kunst- und Gewerbemuseums.
Emma Budge, kinderlos, wollte den größten Teil ihres Reichtums der Stadt Hamburg schenken - inklusive der unter Kennern noch heute berühmten Porzellansammlung. Obwohl Emma Budge unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Repressalien ihr Testament änderte und doch lieber die US-Regierung bedachte, bemächtigte sich die Stadt des Erbes: Die jüdischen Testamentvollstrecker wurden nach Budges Tod 1937 kurzerhand für abgesetzt erklärt. Das Gebäude selbst wurde zum Hauptquartier von Gauleiter Karl Kaufmann, 1.050 Teile des künstlerisch hochwertigen Inventars per Möbelwagen nach Berlin geschafft und dort versteigert. Die Auktion fand im einschlägig berüchtigten Auktionshaus Graupe statt, einer der Bieter war der Direktor des Bremer Fockemuseums. So kam das Wappenkissen an die Weser.
Der Weg der "Diana" in die Bremer Kunsthalle ist unerforscht. 1953 besaß sie jedenfalls der Bremer Kaffeehändler Hans von Feldmann, der sie dem Kunstverein schenkte. Dort blieb sie im Depot. Heinz Rauber von der Henry und Emma Budge-Stiftung, die in Frankfurt am Main ein jüdisch-christliches Altenheim betreibt, lobt nun die "ungewöhnlich unbürokratische Reaktion" der Bremer, die sehr schnell auf die Restitutionsanfragen eingegangen seien. Rauber: "Das ist beileibe nicht immer so."
Die Restitution des Budgeschen Erbens ist noch in den Anfängen: Erst 2007 bestätigte ein Hamburger Gericht die Gültigkeit des Testaments von 1937. Seither hat Fremy Rückgabe-Verhandlungen mit 30 bis 40 Museen in aller Welt aufgenommen, 200 Kunstwerke als Budge-Besitz identifiziert und rund 25 Stücke zurück erhalten. Etwa zwei Drittel der 1.500 versteigerten Stücke verschwanden 1937 in Privatbesitz.
Auch das Städel in Frankfurt und das Staatliche Museum Schwerin haben kürzlich Kunstwerke aus der Budge-Sammlung restituiert. Obwohl in Bremen derzeit keine weiteren Budge-Besitztümer bekannt sind, sieht Bürgermeister Böhrnsen die Stadt weiterhin in der "moralischen Verantwortung": "Berechtigte Ansprüche werden wir sicher nicht abwehren." Ein Antrag auf 10.000 Euro Förderung für die Provenienzforschung der Kunsthalle wurde vom Kulturressort allerdings kürzlich abgelehnt. Dort wird nun mit Mitteln des Staatsministers für Kultur die Sammlungstätigkeit dreier vornehmlich in den 30er Jahren tätiger Kunsthändler erforscht. Die Rückgabe-Liste wartet auf ihre Verlängerung.
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