Jüdische Gemeinde: Der Rückschlag
Der Frust der Provinz ist verständlich. Der Jüdischen Gemeinde zu Berlin fliegt alles zu: Sucht eine internationale jüdische Institution einen Standort in Deutschland – wo geht sie hin? Nach Berlin. Wollen Kulturmanager richtig groß Jüdische Wochen organisieren – womit locken sie? Mit Berlin. Geht es um das Wiederaufleben des jüdischen Lebens in Deutschland – wohin schaut man? Richtig.
Hinter dieser Berlin-Zentriertheit fällt der weniger spektakuläre, oft triste Alltag des jüdischen Lebens in Deutschland ab: Auf die Mühen der Ebene, die verdienstvolle Arbeit in kleinen Gemeinden schauen wenige.
Jetzt haben die Zu-kurz-Gekommenen zurückgeschlagen: Kein Berliner Vertreter wurde ins Präsidium des Zentralrats der Juden gewählt. Der Grund, wie der Berliner Vorsitzende Andreas Nachama zu Recht vermutet: Seine Gemeinde gilt als zu liberal, zu dominant.
Dabei sind diese Vorwürfe nicht gerechtfertigt. Eine so große Gemeinde ist nun einmal vielfältig, muss liberal oder doch zumindest tolerant sein und hat logischerweise eine Bedeutung, die andere als Dominanz erleben.
Die kleineren Gemeinden in Deutschland schaden sich selbst, wenn sie aus bloßer Eifersucht ihre blühendste Schwester verstecken, anstatt stolz auf sie zu sein. Die Wiederbelebung der Gemeinde in Berlin, gerade hier in der alten Reichshauptstadt, ist ein Schmuck für alle Juden in Deutschland.
Mag sein, dass die Berliner Juden in letzter Zeit dazu neigten, arrogant auf ihre Brüder und Schwestern im Rest der Bundesrepublik herabzublicken. Im wichtigsten Entscheidungsgremium der jüdischen Gemeinschaft aber deshalb die Berliner Gemeinde einfach auszuschließen ist eher kindisch. Denn klar ist schon jetzt: Der oder die nächste Präsident(in) des Zentralrats wird eh nicht aus der Hauptstadt kommen.
Philipp Gessler
Berichte Seite 7 und 21
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