Jüdische Gemeinde Berlin: Streit über das Wahlergebnis
Die Opposition ficht das Ergebnis der Wahl zur Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde Berlin an. Sie vermutet, es habe Manipulation bei der Stimmauszählung gegeben.
In der Jüdischen Gemeinde geht der Streit um die Ergebnisse der Wahl zur Repräsentantenversammlung in eine neue Runde: Vier Kandidaten des Oppositionsbündnisses Emet („Wahrheit“) haben jetzt Einspruch gegen das Ergebnis eingelegt. „Nunmehr hoffen wir auf eine Klärung der Lage mit rechtlichen Mitteln“, teilte das Bündnis am Dienstagvormittag auf Facebook mit. Sollte der Schiedsausschuss der Gemeinde dem Einspruch recht geben, käme es zu Neuwahlen. Wann mit einer Entscheidung gerechnet werden kann, ist jedoch unklar. Pressesprecher Ilan Kiesling wollte auf Anfrage der taz keine Auskünfte geben, da er sich derzeit im Urlaub befinde, und auch der Gemeindevorstand reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.
Erste Manipulationsvorwürfe waren bereits direkt nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses vor gut einer Woche aus Oppositionsreihen laut geworden. Dabei wurde vor allem die Richtigkeit der Briefwahl angezweifelt: Während die Gemeindemitglieder in den Wahllokalen nämlich mehrheitlich für Emet-Kandidaten gestimmt hatten, hatte das Bündnis Koach („Kraft“) die Briefwahl haushoch gewonnen. Darüber hinaus hatte sich das Oppositionsbündnis auf seiner Facebook-Seite über „den plötzlichen Fund einer dubiosen Extra-Urne“ beschwert. Die Stimmzettel einer Wahlurne, in der im Wahlbüro schon vorab Stimmen abgegeben werden konnten, seien getrennt von den anderen Urnen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgezählt worden, erklärte Emet-Spitzenkandidat Sergey Lagodinsky auf Anfrage der taz. „Der Umgang mit dieser Wahlurne Nummer 16 ist sehr anfällig für Missbrauch“, so Lagodinsky weiter.
Der Wahlleiter der Jüdischen Gemeinde wehrte sich bereits vor einigen Tagen in einer Mitteilung gegen diesen Vorwurf. „Jegliche Anschuldigungen in Bezug auf Manipulationen bei der Gemeindewahl weist der Wahlausschuss entschieden zurück“, hieß es dort. Die besagte Urne sei ordnungsgemäß versiegelt gewesen und ebenfalls öffentlich in einem der Wahllokale ausgezählt worden.
Bei der Wahl zur Repräsentantenversammlung hatte sich am 20. Dezember das Bündnis Koach durchgesetzt und 13 der 21 Sitze im Gemeindeparlament geholt. Die übrigen acht Sitze gingen an Emet-Kandidaten. Koach-Spitzenkandidat Gideon Joffe hat damit gute Chancen, Ende Januar zum dritten Mal als Vorsitzender der mit 10.000 Mitgliedern größten Jüdischen Gemeinde Deutschlands wiedergewählt zu werden – vorausgesetzt, der Einspruch der vier Oppositionskandidaten bleibt erfolglos. Kritiker werfen Joffe unter anderem einen autoritären Führungsstil vor.
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