Jüdische Geflüchtete in Berlin: Koscheres Essen und ein Bett
Die jüdische Gemeinde richtet ein Aufnahmezentrum für Menschen aus der Ukraine ein. Bereits am ersten Tag wurden 200 Geflüchtete versorgt.
Das Zentrum soll neben der Sicherstellung der Grundbedürfnisse der Geflüchteten „die ankommenden Jüdinnen und Juden direkt in die Gemeinde integrieren“, sagte Joffe weiter. Nach seinen Angaben halten sich rund 500 jüdische Geflüchte derzeit in Berlin auf. Er betonte: „Nächstenliebe ist ein Kernelement des Judentums, sich für Menschen in Not einzusetzen ist unsere solidarische Pflicht.“
Bereits am ersten Tag kümmerte sich das Jüdische Gemeindehaus laut Geschäftsführerin Milena Rosenzweig-Winter um 150 bis 200 geflüchtete Jüdinnen und Juden. Wie aus dem Informationsflyer zu entnehmen ist, können sich jüdische Geflüchtete im Aufnahmezentrum registrieren lassen „und erhalten von Gemeindemitarbeitern und Freiwilligen eine koschere Mahlzeit, ein Begrüßungspaket mit Hilfsgütern, die Vermittlung einer temporären Unterkunft sowie weitere Unterstützung“.
Der rot-grün-rote Senat lobte das Engagement der Gemeinde: „Wir sind auf jede Hilfe angewiesen“, erklärte Kultursenator Klaus Lederer (Linke), der auch für Religion zuständig ist.
Initiativen informieren über das Aufnahmezentrum
Über die Existenz des Aufnahmezentrum erfahren die geflüchteten Jüdinnen und Juden zum einen durch mehrere jüdische Initiativen, die Busse an der ukrainischen Grenze organisieren, und durch einen auf mehreren Kanälen verbreiteten dreisprachigen Onlineflyer. „Gerade jetzt in diesem Moment ist ein Bus aus Moldawien mit 55 jüdischen Geflüchteten auf dem Weg nach Berlin“, berichtete Rosenzweig- Winter.
Auf die Frage, wie die Aufnahmestelle sicherstellen will, dass es sich bei den Geflüchteten auch wirklich um Mitglieder der Jüdischen Gemeinde handelt, antwortet die Geschäftsführerin: „Wir müssen ihnen einfach glauben. Zwar können wir versuchen, die entsprechenden Dokumente einzusehen, doch fehlt Vielen ein schriftlicher Nachweis.“ Auch nicht-jüdische Geflüchtete fänden im Gemeindehaus erst einmal Hilfe, eine warme Mahlzeit, Sachspenden und ein offenes Ohr.
In der Ukraine lebten sehr unterschiedlichen Schätzungen zufolge vor dem russischen Angriff 50.000 bis 250.000 Menschen mit jüdischen Wurzeln, berichtete Gideon Joffe. Wie viele von ihnen auf der Flucht seien, ließe sich nicht schätzen. Joffe warb dafür, die Jüdinnen und Juden, die in Deutschland ankommen und erst einmal hier bleiben wollen, nicht über das ganze Land zu verteilen, sondern sie in Großstädten wie Berlin, München, Frankfurt oder Köln wohnen zu lassen, damit sie Anschluss an die jüdischen Gemeinden finden könnten. „Wir hoffen, dass die meisten in Berlin landen werden“, sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!