Judenfeindlichkeit in Berlin: Antisemitische Gewalt bleibt hoch

Die Zahl der judenfeindlichen Vorfälle ist 2022 gesunken. Nicht aber die Zahl der Gewalttaten.

Ein Davidstern aus Holz hängt an einer weißen Wand.

Zwei Vorfälle pro Woche richten sich expilizit gegen Jüd*innen, Israelis und als solche adressierte Foto: dpa | David Inderlied

BERLIN taz | Auf seinem Fahrrad wartet ein Mann darauf, dass die Ampel grün wird, als er von einer Person bedrängt, bedroht und beleidigt wird. Die Kippa, die er trägt, entreißt der andere ihm. Angriffe wie dieser im August 2022 in Mitte sind Teil des antisemitischen Grundrauschens, das Jü­d*in­nen immer wieder auf Berlins Straßen erleben. Zwei antisemitische Vorfälle pro Tag gab es im vergangenen Jahr in der Bundeshauptstadt.

Für das vergangene Jahr hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) 848 Vorfälle verzeichnet, 20 Prozent weniger als im Vorjahr. Unverändert blieb allerdings die Zahl der Gewaltvorfälle. RIAS Berlin registrierte 21 antisemitische Angriffe und einen Fall extremer Gewalt, bei dem zwei Männer in Spandau gewaltvoll angegriffen wurden. Einer der beiden musste im Krankenhaus behandelt werden.

RIAS registrierte antisemitische Vorfälle über alle Bezirke, gesellschaftlichen Schichten sowie politischen Orientierungen hinweg. Etwa die Hälfte aller Taten ereigneten sich online, vorrangig über soziale Medien. Erfasst wurden jene Fälle, die von in Berlin lebenden Personen an den lokalen Träger gemeldet wurden.

Im Gegensatz zum Jahr 2021, in dem viele antisemitische Vorfälle einen Bezug zur Coronapandemie hatten, war das für 2022 kaum relevant. Stattdessen gab es laut RIAS 76 Vorkommnisse in Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg. „Das zeigt die enorme Anpassungsfähigkeit des Antisemitismus“, sagt Projektleiter Benjamin Steinitz.

Dunkelziffer weiterhin hoch

Die Dunkelziffer der Vorfälle, so vermutet RIAS, liegt wesentlich höher. Nach einer europäischen Studie werden nur 28 Prozent der Fälle in Deutschland gemeldet. Steinitz prangerte erneut die Datenlage an. Seit 2021 darf die Polizei judenfeindliche – ebenso wie rassistische, homo- und transphobe – Übergriffe aus Datenschutzgründen nicht mehr an Opferberatungsstellen übermitteln.

In einer gemeinsamen Presseerklärung erklären die Abgeordnetenhausfraktionen von CDU, SPD, Grünen und Linkspartei, ihre Anstrengungen verstärken zu müssen. Bisherige Gespräche für Lösungen zur datenschutzrechtlichen Grundlage für die Übermittlung der Fälle durch die Strafverfolgungsbehörden möchte der zuständige Sprecher der CDU-Fraktion, Alexander Herrmann, fortsetzen.

Antisemitismus werde von der Mehrheitsgesellschaft immer noch relativiert, bagatellisiert oder gar negiert, kritisiert Sigmount Königsberg, Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde. „Das schützt nur die Täter“, sagt er auf der Konferenz.

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