Journalist*innen in Kuba festgenommen: Warnschuss für Alternativmedien
Unabhängige Journalist*innen wollten über die Folgen des Hurrikans berichten. Sie wurden festgenommen und aus dem Gebiet verwiesen.
Die Gruppe wurde am Mittwoch morgen ganz im Osten der Insel, in der Nähe der US-Militärbasis Guantánamo festgenommen, in die Stadt Guantánamo gebracht und in einer Miiltäreinrichtung festgehalten.
Die Journalist*innen waren Anfang der Woche aus Havanna losgefahren, um über die Folgeschäden des Hurrikans „Matthew“ zu berichten, der den Osten der Insel am 4. Oktober 2016 heimgesucht und teils schwere Zerstörungen angerichtet hatte.
Am Abend wurden die Journalist*innen wieder freigelassen, ihnen wurde aber verboten, das Gebiet erneut zu betreten. Auf Facebook informierte Elaine Diaz, der Gruppe ginge es gut und sie würden am Donnerstag zurück nach Havanna reisen.
Keine Rechtsgrundlage für unabhängigen Journalismus
Periodismo del Barrio ist eines einer ganzen Reihe von unabhängigen Medien, die in den letzten Jahren entstanden sind. Sie nutzen eine Grauzone des kubanischen Rechts aus, um Journalismus zu betreiben.
Denn offiziell kann es in Kuba keine privaten Medien geben – das verhindert der Verfassungsartikel 53. Aber mit dem besser gewordenen Zugang zum Internet eröffnen sich auch in Kuba neue Kommunikationsmöglichkeiten. Man kann vieles einfach machen, und es wird bislang toleriert.
Nur: offiziell gibt es Periodismo del Barrio nicht. Ein privat betriebenes Medium in Kuba registrieren zu lassen, ist nicht möglich. Insofern ist auch die Begründung für die Festnahme, die in verschwurbelter Form im Parteiorgan Granma nachgeschoben wurde, so richtig wie infam: Diese sogenannten Medienschaffenden, – denen die Granma per se revolutionsfeindliche Ziele unterstellt – hätten sich nicht wie alle anderen akkreditiert, um aus dem Katastrophengebiet zu berichten. Genau das können die Journalist*innen auch gar nicht – weil es das Medium offiziell eben gar nicht gibt.
In den letzten Monaten hat die Regierung die Daumenschrauben gegen die neu entstandenen Medien angezogen, und auch gegen bei Staatsmedien beschäftigte Journalist*innen, die darüber hinaus unabhängige Wege gehen, wird stärker vorgegangen. So ist es etwa inzwischen staatlich angestellten Journalisten verboten, nebenher für unabhängige oder ausländische Medien zu arbeiten.
Druck auf Journalist*innen steigt
Das hatten in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen gemacht, einerseits, um dort schreiben zu können, was ihnen die Zensur im Staatsmedium nicht durchgehen ließ, andererseits, um das schmale Gehalt von durchschnittlich knapp 25 Euro pro Monat etwas aufzubessern.
Diese Möglichkeit ist inzwischen verschlossen, was zu großen Debatten innerhalb der kubanischen Journalistencommunity geführt hatte – junge Kolleg*innen von der Provinzzeitung La Vanguardia in Santa Clara, die ersten, denen die freie Mitarbeit bei anderen Medien verboten worden war, hatten sich mit einem offenen Brief gegen den Beschluss gewehrt. Ohne Erfolg, aber mit großem Echo in den sozialen Medien.
Wie Elaíne Diaz selbst haben auch die meisten anderen unabhängigen Journalist*innen an der Universität in Havanna studiert. Die Journalistenausbildung dort ist sehr gut – umso frustrierter finden sich viele junge, ambitionierte Journalist*innen anschließend nur schwer im Medienalltag einer kontrollierten Staatspresse zurecht.
Diaz hatte einige Jahre an der Universität als Assistenzprofessorin gearbeitet, bevor sie ein Stipendium in die USA bekam und mit dem dort angesparten nach ihrer Rückkehr Periodismo del Barrio gründete. Ihr Thema: Verarmte, verwundbare Gemeinden in Kuba.
Die Journalistin Monica Baró, Mitstreiterin der ersten Stunde und Teilnehmerin des taz-Kuba-Workshops 2016, wurde für eine bei Periodismo de Barrio erschienene Reportage gerade als eine von drei Finalistinnen des Premio Gabriel García Márquez geehrt, des wohl bedeutendsten Journalistenpreises in Lateinamerika. Jetzt war auch sie unter den Festgenommenen.
Die freigelassenen kündigten an, bald in einem Editorial bei Periodismo del Barrio auf die Ereignisse eingehen zu wollen.
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