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Journalistin über Hebdo-Titel zur WM„Das ist schon sehr französisch“

Zur Frauen-WM ist auf dem Titel der „Charlie Hebdo“ eine Vulva abgebildet – mit einem Fußball als Klitoris. Romy Straßenburg findet das „typisch“.

Fußballbegeisterte Frankreich-Fans vor dem Eröffnungsspiel gegen Südkorea Foto: imago-images/Xinhau
Interview von Markus Völker

taz: Frau Straßenburg, wir schauen uns gerade das aktuelle Cover des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo an. Zu sehen ist eine Vulva, und an der Stelle der Klitoris prangt ein kleiner Fußball. Ist das klassisch provokativ?

Romy Straßenburg: Das steht in der klassischen Traditionslinie von Charlie Hebdo. Da gibt es durchaus sexuelle Anspielungen und immer wieder explizite Zeichnungen. Hier haben wir es mit einer Anspielung auf das Gemälde „Der Ursprung der Welt“ zu tun.

Ich schaue eben mal nach: Es stammt von Gustave Courbet, und auf dem Bild aus dem Jahr 1866 stellt eine nackte Schönheit ihr Geschlecht sehr freizügig zur Schau.

Genau. Das ist eine typische Charlie-Vorlage, und dann haben wir es eben noch mit dem Fußball zu tun.

Würde so ein Titel auch in Deutschland funktionieren?

Das wäre eher schwierig. Das ist schon sehr französisch. Und dann funktioniert es auch nur im Zusammenspiel von Text und Bild. Daraus, und aus dem Hintersinn, ergibt sich der Witz. Der Satz „On va en ­bouffer pendant un mois“ auf dem Titel heißt ja einerseits: Jetzt werden wir einen Monat mit Frauenfußball zugeballert. Aber es gibt auch den Ausdruck bouffer la chatte, der auf Oralverkehr anspielt, also dass ein Mann einer Frau sozusagen Freude bereitet.

Im Interview: Romy Straßenburg

war bis 2017 Chefredakteurin der deutschen Ausgabe von „Charlie Hebdo“ unter dem Pseudonym Minka Schneider. Im Februar erschien ihr Buch „Adieu liberté“ – Wie mein Frankreich „verschwand“

Wird hier der Frauenfußball verächtlich gemacht oder ist eher das Gegenteil der Fall?

Dieses bouffer bedeutet beides, man kann es affirmativ deuten und auch kritisch. Es hat zwei Ebenen. Es geht neben der sexuellen Anspielung um ein Übermaß an Frauenfußball. Einen Monat lang werden wir damit zugedröhnt. Und das ergibt sich wiederum aus der fußballkritischen Haltung von Charlie Hebdo. Daraus, dass Fußball so ein bisschen das Opium fürs Volk ist.

Da gibt es ja eine Reihe von Vorbehalten: zu viel Spektakel, zu viel Unterhaltung, zu viel Kommerz.

Foto: Charlie Hebdo

Genau, dass Fußball Ausdruck eines kapitalistischen Verständnisses von Sport ist. Man muss wissen, dass Frauenfußball bei der WM zum ersten Mal im TV-Hauptprogramm von TF1 läuft, dass die Frauen eingebettet sind in Werbeclips. Im Grunde sind wir auf einem Niveau von kapitalistischer Ausschlachtung des Fußballs angekommen, das mit dem der Männer vergleichbar ist. Und das hat Charlie Hebdo schon immer kritisiert, auch bei Paris Saint-Germain. Da hat man die Fans mit der Aussage provoziert, es sei der reichste Verein mit den dümmsten Anhängern. Man muss natürlich dazu auch das aktuelle Editorial lesen, leider kenne ich bis jetzt nur den Titel.

Da steht: „Motto: Wir finden schon immer, dass zu viel über Sport berichtet wird, um die Menschen von wichtigen Dingen fernzuhalten. Warum sollten wir das beim Frauenfußball anders sehen.“

Ja, das spricht für sich.

Ist der Titel sexistisch, oder taugt der Vorwurf nicht, weil Charlie Hebdo ja auch keine Probleme hat, Schwänze aufs Cover zu bringen?

Absolut nicht. Parallel zur Fußball-WM der Männer gab es ein Bild mit Griezmann mit erigiertem Penis und einem Rentnerpärchen davor, das sagte: O, mach uns noch mal heiß! Das ist die klassische Allegorie von Charlie Hebdo, deswegen schockt mich das nicht.

Auch der ehemalige französische Präsident Jacques Chirac wurde wohl schon als Penis mit Brille dargestellt.

Neulich gab es auch Jesus am Kreuz mit großen Eiern. Die Botschaft: Die Kirche schaut weg beim Missbrauch. Wenn man alle Texte liest, dann wird klar, dass Charlie Hebdo eigentlich ein feministisches, progressives Blatt ist. Es gibt enge Beziehungen zu den Femen-Frauen. Aber diese Dimensionen sehen Betrachter aus dem Ausland meistens nicht, die konzentrieren sich nur auf die Titelblätter und fragen dann: Ist Charlie Hebdo frauenfeindlich, sexistisch oder islamfeindlich? Dabei ist eigentlich nur eine Frage wichtig: Kann ich darüber lachen?

Und konnten Sie über den Vulva-Titel lachen?

Ja, als ich den Spruch gelesen habe, schon.

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1 Kommentar

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  • "Bouffer la chatte" heißt nicht, wie Strassenburg behauptet, dass ein Mann eine Frau oral befriedigt, die Geschlechterkonstellation ist in dem Ausdruck nicht enthalten. Diese "Übersetzung" ist schon sehr heteronormativ. Das wird noch problematischer dadurch, dass in der Analogie dann auch die ZuschauerInnen, die der Berichterstattung über die Frauenfußball-WM ausgesetzt sind, als männlich gedacht werden müssen.