Journalisten unter Pauschalverdacht: Die Terroristen hinterm Mikrofon
Nur wer sich von Sicherheitsbehörden überprüfen lässt, darf als Journalist von Großveranstaltungen berichten. Ein breites Medienbündnis fordert ein Ende dieser Praxis.
Zwei große Sportevents stehen dieser Republik 2011 bevor: die Skiweltmeisterschaft in Garmisch-Partenkirchen und die Frauenfußball-WM. Allerdings freuen sich nicht alle Sportjournalisten darauf, weil noch nicht klar ist, ob sie sich unter akzeptablen Bedingungen akkreditieren können. Ein Arbeitskreis unter Federführung des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), in dem Juristen von ARD und ZDF sowie Gesandte der Interessenverbände der Verleger und des Privatfernsehens mitwirken, hat deshalb nun einen "Forderungskatalog zur Änderung der Akkreditierungspraxis bei politischen und sportlichen Großveranstaltungen" formuliert.
Das Grundsatzpapier ist inspiriert von Vorgängen aus dem Sommer 2009. Damals verweigerten die Organisatoren der Leichtathletik-WM in Berlin den Sportredakteuren der taz die Akkreditierung, weil diese einer "Zuverlässigkeitsprüfung" durch Sicherheitsbehörden nicht zugestimmt hatten. Die Redaktion entschied sich daraufhin, nicht von der WM zu berichten.
Verschickt hat die große Koalition der Medienjuristen das Grundsatzpapier nach Garmisch-Partenkirchen, an den DFB und die Innenministerkonferenz. Der Tenor des Papiers: Eine pauschale "Zuverlässigkeitsprüfung" sei unzulässig und auch nicht "erforderlich im Sinne einer Gefahrenabwehr". Prüfen dürften die Behörden nur "im Einzelfall" - wenn "konkrete" und "verifizierbare" Anhaltspunkte vorlägen. Die Betrachtungsweise, dass ein Journalist ein Sicherheitsrisiko für eine Veranstaltung darstellen könnte, ziehen die Verfasser grundsätzlich also nicht in Zweifel.
Insgesamt haben Verbände und Sender ihre Eckpunkte recht moderat formuliert. "In einem gewissen Umfang muss man Verständnis haben für Sicherheitsvorkehrungen, auch Journalisten wollen ja wissen, wer da neben ihnen im Pressezentrum sitzt", sagt Simone Schlee aus dem Justiziariat des Hessischen Rundfunks. Erforderlich sei aber ein gewisses "Maß an Transparenz und Nachvollziehbarkeit". Das heißt: Wenn ein akkreditierungswilliger Journalist aus Sicht der Behörden zu Sicherheitsbedenken Anlass gibt, muss dieser rechtzeitig die Gelegenheit bekommen, die Vorwürfe zu widerlegen.
Die Autoren des Papiers unterscheiden nicht zwischen einer Sportveranstaltung und dem Staatsbesuch eines Politikers, der möglicherweise auf den Abschusslisten diverser Dunkelmänner steht. "Wir sind zu der Einschätzung gekommen, dass sich in beiden Fällen eine Gefahrenlage ergeben kann", sagt Benno Pöppelmann, Justiziar beim DJV.
Anfang Oktober treffen sich die Delegierten des Arbeitskreises mit den Organisatoren der Ski-WM. Die Zeit drängt, denn die WM findet im Februar statt und das Akkreditierungsverfahren läuft bereits - unter genau jenen dubiosen Rahmenbedingungen, die die Verfasser des Papiers anprangern. Wer akkreditiert werden möchte, muss zustimmen, sich vom BKA, dem Bayerischen LKA und dem Landesamt für Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. Um internationale Berichterstatter kümmert sich der BND, von dem man annehmen sollte, dass es Besseres zu tun hat, als im Leben kanadischer Eisschnelllaufexperten herumzuschnüffeln.
Verweigert jemand die Zustimmung zu einer derartigen Durchleuchtung, "kann eine Akkreditierung nicht erfolgen" - so heißt es derzeit noch in der "Datenschutzinformation", die potenziellen WM-Berichterstattern vorliegt. Formal gilt die Einwilligung, wie auch 2009 in Berlin, als "freiwillig", in der Praxis kann davon aber keine Rede sein. Werde "eine Person vor die Alternative gestellt, ihren Beruf nur dann ausüben zu können", wenn sie "in die geforderte Datenverarbeitung einwilligt, kann von einer freien Entscheidung keine Rede mehr sein", betonen die Verfasser des Papiers.
Ein gewisses Druckpotenzial hat das Grundsatzpapier, weil ARD und ZDF es mitverfasst haben. Kein Veranstalter wird es sich so leicht mit jenen verscherzen, die mit ihrer Berichterstattung für die wichtigste Werbung sorgen. Einen kleinen Erfolg können die Initiatoren schon verbuchen. "Der DFB hat uns mitgeteilt, dass er die Sache nicht anders einschätzt als wir, das hat mich gefreut", sagt Pöppelmann - vor einem Jahr war noch zu vernehmen gewesen, dass bei der Frauenfußball-WM rigide Regelungen geplant seien. Maßgeblich für die Wirkung des Forderungskatalogs dürfte ohnehin ein Gespräch mit der Innenministerkonferenz sein. Einen Termin dafür gibt es noch nicht.
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