Journalisten-Massaker auf Philippinen: Massenmord ungesühnt

Fünf Jahre nach dem größten Massenmord an Journalisten stockt der Prozess. Gerade wurde wieder ein Zeuge erschossen.

Einer der drei Hauptangeklagten, Ampatuan senior, auf dem Weg aus dem Gericht, 2012. Bild: dpa

Dennis Sakal und Butch Saudagal sind am Dienstag dieser Woche im Süden der Philippinen auf dem Weg zu ihrem Anwalt, als Unbekannte bei der Provinzhauptstadt Sharrif Aguak (Provinz Maguindanao) das Feuer auf sie eröffnen. Sakal stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus, Saudagal überlebt schwer verletzt. Der Anschlag findet fast auf den Tag fünf Jahre nach einem Massaker statt, zu dem die beiden belastende Aussagen zu Protokoll geben wollten. So berichten es philippinische Medien.

Unter den 58 Toten des „Maguindanao-“ oder auch „Ampatuan-Massakers“ vom 23. November 2009 sind 32 Journalisten, auch Anwälte, Fahrer und Passanten. Die meisten der damals Ermordeten hatten die Ehefrau des Lokalpolitikers Esmael Mangudadatu begleitet.

Sie wollte in der Provinzhauptstadt die Unterlagen für die Kandidatur ihres Mannes zu den Wahlen 2010 einreichen. Damit forderte Mangudadatu den Ampatuan-Clan heraus, eine mächtige muslimische Familie in der von Warlords und feudalistischer Clanherrschaft geprägten Provinz. Die letzten Wahlen für verschiedene Posten hatten die Ampatuans zum Teil ohne Gegenkandidaten gewonnen.

Die damals in Manila regierende Präsidentin Gloria Macapal Arroyo stützte sich in Maguindanao auf die Ampatuans. Bei den vorherigen Wahlen hatten sie dafür gesorgt, dass Arroyo viele Stimmen bekam. Die Ampatuans versuchten, Mangudadatu mit Drohungen von der Kandidatur abzubringen. Im Unterschied zur Ortspolizei, die den Ampatuans nahe stand, nahm Mangudadatu die Drohungen ernst: Er organisierte für seine Wahlregistrierung einen Konvoi und lud zahlreiche Journalisten dazu ein.

Sie bestreiten die Tat

Er hoffte, die Öffentlichkeit werde die Ampatuans und ihre zweihundertköpfige Privatarmee von Gewalt abhalten. Ein fataler Irrtum. Der Konvoi wurde gestoppt, die Insassen wurden verschleppt, einige Frauen vergewaltigt und alle kaltblütig ermordet. Samt Fahrzeugen wurden sie in einem Massengrab verscharrt, das die Mörder zuvor mit Baggern ausgehoben hatten. Fünf Insassen eines Autos, das zufällig vorbeikam, wurden gleich mit ermordet.

Als mutmaßliche Drahtzieher wurden der Bürgermeister und Gouverneurskandidat Andal Ampatuan jr., sein Bruder Zaldy Ampatuan, Gouverneur der autonomen Region Muslim-Mindanao, und der Vater und Clanchef Andal Ampatuan sr., Maguindanaos Gouverneur, festgenommen. Sie bestreiten die Tat.

Der jetzt getötete Sakal war der Fahrer des Hauptangeklagten Andal Ampatuan jr. Er ist schon der vierte Zeuge des Massakers, der getötet wurde. Zudem wurden schon drei Angehörige mutmaßlicher Zeugen ermordet. Unter den 197 Angeklagten sind 15 vom Clan der Ampatuans. 111 Angeklagte wurden festgenommen oder sind auf Kaution frei, 86 sind immer noch auf der Flucht.

„Der jüngste Anschlag verhöhnt die Justiz und zeigt arrogant die Fähigkeit der Angeklagten, die Schwächen unseres Rechtssystems auszunutzen“, erklärt der nationale Presserat der Philippinen. Die Sprecherin von Staatspräsident Benigno Aquino III räumt ein: „Der Anschlag stärkt sicher nicht die Aussagebereitschaft von Zeugen.“ Der Prozess begann schon im Januar 2010. Doch ein Urteil erwartet Justizministerin Leila de Lima frühestens 2016.

300 Entlastungszeugen

Dann endet auch die Amtszeit von Präsident Aquino III. Sollte dann wieder das Lager der früheren Präsidentin Arroyo an die Macht kommen, fürchten Journalisten eine endlose Urteilsverschleppung. Die Angeklagten haben 300 Entlastungszeugen benannt, die Staatsanwaltschaft nur gut 100, von denen schon vier ermordet wurden. Im Sommer wechselten die Ampatuans zudem ihre Anwälte, was weitere Verzögerungen bewirkte.

„Dass bis heute niemand verurteilt wurde, ist ein Skandal“, sagt Johannes Icking vom Aktionsbündnis Menschenrechte – Philippinen in Köln. „Das Strafverfahren zeigt alle Schwächen der philippinischen Justiz deutlich, besonders die überlangen Prozesse und den mangelnden Zeugenschutz.“

Das Land ist für seine Kultur der Straflosigkeit und Korruption bekannt. Formal ist es eine liberale Demokratie mit Pressefreiheit. Doch oft dominieren Familienclans und es werden vor allem in den Provinzen immer wieder Journalisten getötet. Die Mörder werden äußerst selten, die Auftraggeber nie verurteilt.

Der nationale Journalistenverband (NUJP) zählt 197 Journalistenmorde seit 1986, als die Marcos-Diktatur gestürzt wurde. „Die Journalistenmorde zeigen, was bei uns schief läuft. Wir müssen die Patronage, die Warlords und die Straflosigkeit überwinden“, sagt NUJP-Chefin Rowena Paraan.

„Die Morde sind möglich, weil wir Leute wie die Ampatuans haben. Die sind mächtig, weil sie von Politikern in Manila ermutigt werden, denen sie Stimmen besorgen.“ Präsident Aquino III hatte ein Ende von Straflosigkeit und extralegalen Hinrichtungen versprochen. Doch Menschenrechtsgruppen sind enttäuscht. Seit der Ermordung der 32 Journalisten vor fünf Jahren sind schon weitere 33 getötet geworden, sagt Paraan.

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