Journalisten-Bespitzelung durch BND: Die Lizenz zum Weiterschnüffeln
BND-Präsident Uhrlau hat zugegeben, dass wieder Journalisten bespitzelt wurden. Noch kann er sich trotz aller Kritik halten - doch selbst Konservativen wäre es lieb, wenn er ginge.
So hart springen Konservative selten mit einem Geheimdienstchef um. "Herr Uhrlau hat weder ein Gespür dafür, wie man einen Dienst nach innen führt, noch wie man uns als Parlamentarier richtig informiert", sagte Hans-Peter Uhl am Donnerstag zur taz. Der Mann sitzt für die CSU im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG), das die Arbeit der deutschen Geheimdienste überprüfen soll. Und er ist wütend über BND-Chef Ernst Uhrlau.
Denn der Bundesnachrichtendienst hat erneut Journalisten überwacht. Die E-Mails der Spiegel-Reporterin Susanne Koelbl sind monatelang von Geheimdienstmitarbeitern gelesen worden. Die Agenten interessierte der elektronische Postverkehr zwischen Koelbl und einem afghanischen Politiker von Juni bis November 2006. Der Computer der Journalistin soll nach Medieninformationen mit einem Spähprogramm ausgeforscht worden sein. Am Donnerstagabend stellte das Parlamentarische Kontrollgremium nach einer Sondersitzung zum Fall Koelbl in einer Erklärung mehrheitlich fest, dass die E-Mail-Schnüffelei "nach Intensität und Dauer eine erhebliche Grundrechtsverletzung" der Journalisten darstelle. Die E-Mails hätten gelöscht werden müssen, wie es die "internen Regelungen des BND inzwischen auch ausdrücklich vorsehen". Der Spiegel hat rechtliche Schritte angekündigt.
Noch nicht sicher ist, ob auch der frühere ZDF-Korrespondent in Afghanistan, Ulrich Tilgner, noch im Jahre 2007 ebenfalls vom BND überwacht wurde. Einem Bericht der Berliner Zeitung zufolge sagte ein hochrangiger deutscher Diplomat ihm im vergangenen Jahr in Kabul: "Sie müssen verstehen, dass Sie abgehört werden." Dabei hatte der BND sich nach dem Skandal über die Überwachung von Journalisten im Jahre 2005 doch verpflichtet, keine Medienschaffenden mehr zu bespitzeln.
Eine "Vernachlässigung seiner dienstaufsichtlichen Befugnisse", wirft der CSU-Politiker Uhl dem Geheimdienstchef vor: "Es geht überhaupt nicht an, dass er als Präsident erst ein Jahr später von einer solchen Aktion erfährt und dann nicht die Regierung und das Kontrollgremiums unverzüglich informiert." Doch der Fall Koelbl allein hätten nicht ausgereicht, um die Unionsparteien derart gegen den BND aufzubringen. Nie zuvor war die Distanz zwischen einer konservativen Regierungsfraktion und dem Nachrichtendienst derart groß. Auch deren Parlamentarischer Geschäftsführer Norbert Röttgen kritisierte die Informationspolitik der Regierung im Fall Koelbl scharf. Der Grund dafür ist, dass sich die Unionsabgeordneten im Parlamentarischen Kontrollgremium wie Röttgen und Uhl bei einer Reihe von BND-Skandalen schlecht informiert fühlten, obwohl die eigene Partei in der Regierung sitzt und mit Thomas de Maizière den für die Geheimdienste zuständigen Kanzleramtschef stellt. "Wir durften uns langatmige Vorträge mit Banalitäten anhören, und dafür wurde uns vieles Wichtige nicht mitgeteilt", sagte Uhl. Ihn persönlich verbindet zudem eine alte Fehde mit Uhrlau, weil der den Umzug des Dienstes nach Berlin forciert hat (siehe Porträt). Der Union fällt die Kritik auch leicht, weil Uhrlau ein SPD-Parteibuch hat. Und zu guter Letzt wollen Uhl und Röttgen bis zum Juni ein Gesetz durchbringen, welches dem Parlamentarischen Kontrollgremium mehr Macht verleiht. Deswegen erhöhen sie so den Druck auf auf Thomas de Maiziére und die zögerliche SPD, weisen besonders lautstark auf jeden Fehler des Bundesnachrichtendienstes hin.
Nun ist zu klären, ob der Chef der Agenten tatsächlich auch nach dem Bespitzelungsskandal von 2005 weiter Journalisten ausforschen ließ oder ob einige Referatsleiter des Nachrichtendienstes ohne Uhrlaus Wissen agiert haben. Was bisher aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium nach draußen drang, spricht eher für die zweite Möglichkeit. Deswegen muss Ernst Uhrlau vorerst auch nicht zurücktreten. Außerdem wurde unter Uhrlau eine Reform des Geheimdienstes beschlossen, welche bis 2009 die Mängel beheben soll, die auch dieses Mal wieder aufgetreten sind: Durch eine straffere Struktur soll das Eigenleben der einzelnen BND-Abteilungen eingeschränkt werden. Daher missbilligte das Parlamentarische Kontrollgremium nach seiner Sitzung lediglich das Verhalten der BND-Führung und beklagte ein gestörtes Vertrauensverhältnis. Konsequenzen gibt es laut dem Vorsitzenden des Gremiums, Thomas Oppermann (SPD) nur "auf der Abteilungsleiterebene".
Der grüne Geheimdienstkontrolleur Hans-Christian Ströbele unterschrieb die Erklärung nicht, weil er einen Kuhhandel zwischen SPD und Unionsparteien sieht: "Die Christdemokraten haben quasi versprochen den Geheimdienstchef mit SPD-Parteibuch in Ruhe zu lassen, wenn die Sozialdemokraten nicht anfangen die Verantwortlichen im Kanzleramt öffentlich anzugreifen."
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