Journalist über Radio Vatikan: "Man muss katholisch sprechen"
Bernd Hagenkord arbeitet für Radio Vatikan, er leitet die deutschsprachige Sektion. Wie vertragen sich eigentlich Journalismus und Kirche?
taz: Herr Hagenkord, Sie sind Leiter der deutschsprachigen Sektion von Radio Vatikan. Hört das denn wer?
Bernd Hagenkord: Statistisch sind wir an der Wahrnehmungsgrenze. Wenn man die letzten, veralteten Zahlen nach unten korrigiert, dann rechnen wir mit etwa 250.000 Hörerinnen und Hörern in Deutschland, Österreich, Schweiz und Südtirol.
Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen, wenn ich für Radio Vatikan arbeiten will?
Man muss Journalist sein, also sein Handwerk verstehen. Und man muss katholisch sein. Man muss mit Überzeugung für das stehen, was wir hier tun, man muss katholisch sprechen.
Wie verträgt sich denn journalistische Professionalität mit der Arbeit für eine päpstliche Institution?
Wir machen Überzeugungsjournalismus. Wer Radio Vatikan anschaltet bekommt nicht sogenannte kritische Berichterstattung über den Vatikan, sondern die Stimme aus dem Vatikan. Der Kirche in Deutschland ist am besten dadurch gedient, dass wir Informationen liefern, gerade was den Vatikan angeht. Was macht der Papst, was geht in der Welt und in der Weltkirche vor - darüber wollen wir kontinuierlich berichten, nicht nur die Bruchstücke wie etwa die Benettonkampagne.
geb. 1968, ist seit 2009 Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Geschichte, Philosophie und Journalismus. 1992 trat er dem Jesuitenorden bei. 1997 war er im Canisius-Kolleg in Berlin tätig. 2002 wurde er zum Priester geweiht.
Muss man den Deutschen den Vatikan immer wieder erklären?
Ja. Vieles sind Schnellschüsse und liebevoll gepflegte Missverständnisse.
Zum Beispiel?
Das Wort "mittelalterlich. Da bekomme ich das Grausen. Ich bin studierter Historiker. Als "mittelalterlich" wird alles abgetan, was nicht dem Zeitgeist entspricht. Die deutschsprachige Kirche hat einfach eine ganz eigene Geschichte durch die Auseinandersetzung mit der Reformation. Aber wir sind nicht der Nabel der Welt - das erfahre ich hier im Radio täglich, wenn ich den Kollegen aus Brasilien oder Benin zu erklären versuche, wie die deutsche Kirche tickt. Der Deutsche denkt gern: Wenn alle so wären wie ich, wäre alles besser.
Italien ist schön - wenn nur die Italiener nicht wären.
Genau. Da hilft der Blick von aussen doch sehr. Wir wollen die Weltkirche im Blick behalten. Manchmal klappt das sogar.
In katholischen Internetforen liest man, ihre Sektion sei der Vorreiter eines 'Linkskatholizismus. Was ist da dran?
Nichts. Ich bin ein treu-braver Katholik und habe durchaus meine Probleme mit dem, was in Deutschland so als d i e liberale Kirche bezeichnet wird. Ich stelle gern Fragen, deswegen hätte ein liberaler Katholik genauso Probleme mit mir wie ein konservativer. Und ich interessiere mich für die ganze Bandbreite, wir stehen für die Weltkirche, nicht für eine Strömung.
Ist die katholische Kirche medial in der Gegenwart angekommen?
Die eine katholische Kirche gibt es nicht. Wieviel Prozent der Weltbevölkerung waren denn schon mal im Netz oder haben wenigstens ein Telefonat geführt? Wir im Westen sind eine Minderheit. Trotzdem wird Radio Vatikan natürlich immer mehr ein multimediales Radio.
Und der Papst?
Johannes Paul II war ein Medienpapst. Ich finde aber Benedikt XVI gerade deswegen so sympathisch, weil er den Medien sagt: Ich richte meine Botschaft nicht nach dem, was ihr denkt. Das ist manchmal schwierig, aber es stellt für mich sicher, dass der Papst sein Fähnchen nicht nach dem Winde hängt. Klar ist aber: Wir müssen eine neue Sprache finden, nicht nur neue Worte, um das Alte zu sagen. Das muss sich anpassen an die Art und Weise, wie Menschen heute denken und leben. Texte ins Internet zu stellen, reicht nicht, um wieder Leben in den Glauben zu bringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?