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John-Lennon-Denkmal in VerdenDie Klötzchen-Ecke

Verdens John-Lennon-Denkmal ist eine eher triste Sache. Es erinnert seit 15 Jahren daran, dass der Beatle mal bei einem Filmdreh durch die Stadt lief.

Vorsicht, man läuft schnell dran vorbei: In einer Nische verbirgt Verden sein John Lennon-Denkmal Foto: Ilka Kreutzträger

Ein merkwürdiges Eckchen, das. Aber vielleicht muss es das auch sein, weil ja die Idee dieses John-Lennon-Denkmals in Verden selbst immer schon merkwürdig war: Wer vom wuchtigen Dom die kopfsteingepflasterte Mühlentor-Straße runterkommt und dann rechts in den geschotterten, schmalen Pfad Am Bollwerk einbiegt, ist fast schon dran vorbei gelaufen.

Umrahmt von einem braunlackierten Lattenzaun und einer grünglänzenden Kirschlorbeerhecke scheinen sich die drei unterschiedlich hohen Sichtbeton-Stelen hier verlegen in ihrer Nische herumzudrücken. Sie haben aber auch nichts, mit dem sie auftrumpfen könnten. Die Grundfläche aller drei Säulchen ist quadratisch, wenn auch unterschiedlich breit. Alle drei schließen oben mit einer leichten Schräge ab, auf der wiederum je eine quadratische Bronzeplatte montiert ist. Diese routinierte Gedenkarchitektur stünde wohl mit jeder deutschen Friedhofsordnung im Einklang.

Zwei der Bronzeplaketten sind mit Schrift gestaltet. Die eine macht unmissverständlich klar, dass hier außer der Stadt Verden, ihrem Pferdemuseum und ihren Berufsbildenden Schulen die ortsansässige Deutschlanddependance des Zuckerzeugriegelherstellers Mars, das Akzent-Hotel Höltje und die Transportbetonfirma Matthäi gedenkt. Den Widmungsträger verrät die andere, etwas größere: „JOHN LENNON. Ein Beatle in Verden“, steht drauf.

Die größte aber hat, in bester Mülleimerhöhe, Werbegrafiker Uwe Blaschke vor 15 Jahren künstlerisch wie ein Medaillon gestaltet, mit einem stilisierten Porträt. Stark an dessen eigenen zeichnerischen Stil angelehnt reduziert es John Lennons Gesicht auf seine Nickelbrille und einen angedeuteten Soldatenhelm, aus dem sich links eine Taube emporzuschwingen scheint.

Erinnerung an eine Stippvisite

Eine sehr gute Grafik, die gerade aus ihrer Flächigkeit Tiefe bezieht. Manko: Durch ihre Aufstellung im öffentlichen Raum gewinnt sie nichts. Was unglücklicherweise auch umgekehrt gilt. Denn was bedeutet es fürs Leben in dieser Stadt, wenn in Verden die Stippvisite eines bedeutenden Musikers denkmalwürdig scheint, der hier im September 1966 an Dreharbeiten für den Antikriegs-Film „How I Won the War“ mitgewirkt hat – in einer letztlich eher kleinen Rolle? Warum hat Verden so ein Denkmal nötig – nicht aber Ostenholz, wo er doch immerhin übernachtet hat?

Letztlich kann nämlich so ein Denkmal nur der Selbstvergewisserung des Ortes dienen. Zwar hat einst der damalige Bürgermeister bei der Einweihung der Klötzchen-Ecke gesagt, man wolle ganz im Gegenteil mit dem Denkmal „an John Lennon erinnern und seine Hoffnung auf eine bessere Welt teilen“.

Aber das ist erkennbar eine Schutzbehauptung: Niemand kann ja ernsthaft glauben, dass diese Jahrhundertfigur ohne das Verdener Engagement vom Vergessen bedroht wäre. Insofern gerinnt das verräumlichte Kurzbesuchsgedenken zu einem Versuch, sich selbst in Erinnerung zu rufen.

Dafür muss es den Aufenthalt zu einem Ereignis erklären, das diesen Ort verändert hätte und sein Bild geprägt. Aber trifft das zu? Nur, weil Verdens Straßenzüge und die Brücke über die Aller trotz exzessivem Blaufiltereinsatz, anders als etwa die Drehorte in der Lüneburger Heide, im Film einwandfrei erkennbar geblieben sind? Macht sich die Stadt durch ein derartiges Gedenken nicht kleiner, als sie ist?

Okay, man kann auch sagen: Das ist doch alles viel zu spießig gedacht. Entkrampfen wir doch mal! Lassen wir dem anarchistischen Spaß Raum und verhelfen wir kuriosen Zwischenfällen zu dauerhafter Gestalt, einfach aus Lust an der Freude. Und warum auch nicht: Immerhin verfügt Verden ja über ein Denkmal für einen diebischen Küster.

Doch ein solcher Ansatz hätte kein konfektionspathetisches Ensemble aus Sichtbetonquadern hervorbringen dürfen. Er hätte einer weniger an- und einpassungsfreudigen, einer dissonanteren Ästhetik bedurft – was denn auch wiederum besser zum Anlass gepasst hätte.

Denn Richard Lesters Spielfilm mag insgesamt verunglückt sein. Ideologisch frönt er einem simplen Pazifismus, und er bekommt durch seinen entschiedenen Antimilitarismus eine antibritische Schlagseite: Die Hauptperson, der komplett idiotische Lieutenant Earnest Goodbody ist ein Mosley-Anhänger, also ein Faschist. Sein deutscher Widerpart, der Wehrmachtsoffizier Odlebog, verzichtet, gegen Geldzahlung, auf die ihm befohlene Sprengung der Rheinbrücke von Verden an der Aller.

Er wird dann in einer der ekelhaftesten Szenen von einem britischen Panzer zermatscht. Auch diese Täter-Opfer-Umkehr, die Lester eher versehentlich, denn mit Absicht inszeniert, schmälert die kulturhistorische Bedeutung des Films nicht.

Cineastisch interessant sind sein experimenteller Humor, seine chaotische Erzählstruktur und seine surrealen Verfremdungen – bis hin zum geschmacklos wüsten Mix von grotesken Spielszenen und dokumentarischen Schlachtaufnahmen, die einander optisch angeglichen werden.

In John Lennons künstlerischer Biografie wiederum markieren die Dreharbeiten eine wichtige Etappe. Während ihrer schreibt er seinen bis dahin komplexesten Song „Strawberry Fields“. Seine schauspielerische Arbeit verschafft ihm zugleich die Gelegenheit, den eigenen Style neu zu definieren: Die Pilzkopffrisur, bis zum Album „Rubber Soul“ Markenzeichen aller vier Beatles, lässt er sich für die Rolle als Fußsoldat Gripweed wegscheren.

Ikonisches Brillengestell

Und wie seine Filmfigur trägt er fortan die National Health Standard-Brille, wie sie die British Army ihren Angehörigen im Zweiten Weltkrieg zur Verfügung gestellt hatte. Das Nickelgestell mit den kreisrunden Gläsern wird ikonisch, sobald dieser radikal neue Look veröffentlicht wird: Ein Filmstill mit Lennon ziert das Cover der ersten Nummer des Rolling Stone Magazine, die am 9. November 1967 erscheint.

Die Bildunterschrift kündigt einen ausführlichen Bericht vom Dreh auf der letzten Seite des Hefts an. Lennon setzt mit dem Outfit ein Zeichen, wenn nicht der Lösung aus dem Kollektiv der Band, so doch der stärkeren Individualisierung.

In Verden, so scheint es, hat man weder die Möglichkeiten noch die Dimensionen des eigenen Gedenkens erfasst, ja nicht einmal erfassen wollen. Statt der Befragung von Vergangenheit oder der Erinnerung an eine Person zu dienen, zehrt das Denkmal von deren Popularität. Es will etwas von ihrem Glanz für sich haben, ähnlich wie der Lutherstein vorm Dom.

Angetrieben von einem hohlen Fremdenverkehrsinteresse, wird Gedenken so zum Marketing, zu einem Instrument der Städtewerbung. Das ist nichts Böses, aber in jeder Hinsicht trist.

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