Johannes Kopp Russia Today: Voller Körpereinsatz für Marokkos WM-Bewerbung – aber leider umsonst
Marokko hat zwar verloren, aber bei seiner WM-Bewerbung wirklich gute Arbeit geleistet. Davon konnte ich mich selbst überzeugen. Mir wurden exklusive Einblicke ermöglicht. Dem Zufall sei an dieser Stelle ein großer Dank ausgesprochen.
Auf meinem Weg zum Fifa-Kongress im Westen Moskaus, wo kühnste Hochhauskonstruktionen in den Himmel wachsen, halten vor mir just ein paar große, dunkle Limousinen an, die mir die marokkanische Kongressdelegation vor die Füße spült. Die Akkreditierungen, die von ihren Hälsen baumeln, verraten ihre Herkunft.
Dies ist eine einmalige Gelegenheit, um die ansonsten bestens abgeschirmten Funktionäre zu fragen, wie sie denn nun die Chance bei der anstehenden Abstimmung über die Vergabe der WM einschätzen. Gewinnt Marokko oder doch eher das Dreierbündnis USA, Kanada und Mexiko? Weil wichtige Funktionäre oft gewichtig sind, greife ich mir einen solchen heraus und spreche ihn an. Ein Journalist? Der Mittfünfziger ist zuerst etwas überrascht, um sich dann meiner ganz anzunehmen.
Er legt seinen Arm um meine Schulter und zieht mich mit sanftem Druck ein wenig zur Seite. Mir wird klar: Das soll jetzt in jedem Fall ein Vieraugengespräch werden. Und ganz unberührt von meiner Frage nach den Aussichten erzählt er mir, warum es gut wäre, wenn die Fußball-Weltmeisterschaft in seinem Land stattfinden würde.
In den USA und Kanada hätten sie doch schon alles. Gute Flughäfen, eine gute Infrastruktur, tolle Stadien. In Marokko könnten viele Menschen davon profitieren, wenn man all das dort aufbauen würde. Die Begeisterung in seinem Land sei grenzenlos, die Zustimmung der Bevölkerung überwältigend, für die Entwicklung des Fußball auf dem afrikanischen Kontinent das Turnier Gold wert und, und, und.
Angesichts dieser körperlichen und verbalen Zugewandtheit, dem leidenschaftlichen Engagement, fange ich schon fast selbst an zu glauben, dass gleich beim anstehenden Fifa-Kongress nach meiner Stimme gefragt werden wird. So wichtig muss man sich also fühlen, wenn Funktionäre um einen buhlen. Vielleicht hätte ich Zweifel anmelden sollen, denke ich mir später. Wer weiß, was mir der gute Mann in seiner Selbstvergessenheit noch angeboten hätte. Und wer weiß, wie oft er in den vergangenen drei Monaten diesen Vortrag gehalten hat?
Offensichtlich ist, er scheint aus seinem geradezu zwanghaften Verhaltensmuster gar nicht mehr herauszukommen. Für ihn tut mir die spätere Niederlage von Marokko umso mehr leid. Er hat seine Sache wirklich gut gemacht.
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