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Jörn Kabisch AngezapftSich mit Gose bekneipen

Einst war die Gose so bekannt, dass sie besungen wurde. Es gibt da ein Couplet von Otto Reutter, Kabarettist und als Sänger der Dieter Bohlen der Weimarer Zeit. „Muss man denn ins Ausland reisen?“, heißt es – zurzeit eine aktuelle Frage –, es stammt von 1929. Elf Strophen lang zeichnet Reutter humoristisch die touristischen Vorzüge deutscher Städte und Landschaften nach. „Und die große Seestadt Leipzig / Sucht man da geen’n Zeitvertreib sich? / Man drinkt ‚Gose‘– man bekneipt sich“, singt er.

Seitdem sind der Gose, einem salzig-sauren Bier, schon einige Requiems gespielt worden. Heute kennt man sie in Leipzig zwar wieder, aber außerhalb steht der Bierstil keineswegs so für die Stadt wie das Alt für Düsseldorf oder das Helle für München. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Durch seine Nischigkeit kann man darauf vertrauen, dass ein gut gebrautes Bier in der Flasche steckt, wenn Gose darauf steht. Bei Alt oder Hellem gibt es hingegen Exemplare, die sich besser zum Füßekühlen eignen.

In Leipzig gibt es inzwischen einige Brauereien, die Gose brauen. Tilo Jänichen war nach der Wende unter den ersten, die den historischen Bierstil rekonstruierten. Später wiederbegründete er die Ritterguts-Brauerei, die schon Ende des 19. Jahrhunderts einen hervorragenden Ruf für ihre Gose besaß.

Das „Urgose Märzen“ ist eine von Jänichens jüngsten Kreationen. Neben Salz und Koriander, den obligatorischen Zutaten, kommen noch Hafer, Rauchmalz, Zimt und Zirbenzapfen in die Würze. Vor allem aber der Name verrät, wo es hingeht: Märzen. Das steht für einen Tick mehr Alkohol und für eine längere Reifezeit, die mehr Eleganz verheißt.

Das Versprechen wird eingelöst. Ich finde bei Gose immer wieder faszinierend, wie schwer es ist, den sehr ausgefallenen Zutaten nachzuspüren. Keinen Rauch, keinen Zimt, keinen Koriander erkenne ich, wie in einem guten Eintopf hat sich ein ganz eigener Geschmack entwickelt. So habe ich etwas Limettiges in der Nase, auf der Zunge dann paart sich die Säure mit einer starken Würze und dem typischen mineralischen Schmelz. Am meisten erinnert mich das Bier an Ayran, das gesalzene türkische Joghurtgetränk, dem man vielleicht noch einen Spritzer Zitrone beigefügt hat.

Urgose Märzen, Ritterguts Gose, 5,5 % vol.

Der Effekt ist erfrischend, aber nicht süffig. Das Bier wirkt kalt im Mund, auch beim letzten Schluck, für den man sich Zeit gelassen hat. Das macht, finde ich, die Gose zu einem idealen Getränk für die Sommerzeit, und die Urgose mit dem sehr ausgewogenen Säure-Bitter-Spiel zu einem guten Einstieg in die Welt der Sauerbiere. Denn ich warne gleich vor, aus dieser Welt werde ich die nächsten Monate mehr berichten.

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