piwik no script img

Jörn Kabisch AngezapftDie Vollständigkeit des Seins

Foto: Archiv

Es gibt Biermenschen, die haben eine To-do-Liste. So wie Leute, die sich vorgenommen haben, in ihrem Leben so viele Länder wie möglich zu bereisen und Stempel in ihrem Pass zu sammeln. Oder alle 82 Viertausender der Alpen zu besteigen. Oder sämtliche italienische Nudelsorten zu essen. Menschen mit einer Sammelleidenschaft, dem Drang, Vollständigkeit in irgendeiner Ecke des Daseins zu erlangen.

Sich einen Überblick beim Bier verschaffen zu wollen, noch dazu in seiner globalen Gesamtheit, in der ständig Neues hinzukommt und Altes wegstirbt, hat allerdings etwas von Sisyphos. Und doch tun es Menschen, wie mir mein Bierhändler neulich erzählte. Es gibt eine Menge Bücher, die sie unterstützen. Die 111 ist dabei eine magische Zahl: 111 Craft Biere, 111 deutsche Biere, 111 englische Biere, die man getrunken haben muss, so heißen die Titel.

Solche Konvolute sind ja noch hinzukriegen. Der Superlativ aber ist die Liste der 1.001 Biere, die man getrunken haben muss, bevor man stirbt. Diese Liste ist 2010 als Buch mit fast tausend Seiten in England erschienen. Mein Bierhändler hat es im Laden. Es gibt regelmäßig Kunden, die nach Bieren von der Liste fragen, sagt er mir.

Das Drummer dunkle Vollbier hat vor allem wegen dieses Buchs Bekanntheit über den fränkischen Landkreis Forchheim hinaus erlangt. Es stammt aus einem Ausflugslokal in einer ruhigen Ecke der an sich schon sehr ruhigen fränkischen Schweiz. Das Lokal ist Anlaufpunkt für Wanderer rund um das Walberla, den Tafelberg in der Gegend. Montag, Donnerstag und Sonntag ist abends zu.

Sind es nur die Lage und die Exklusivität, warum es das Bier von Drummer zu einem Eintrag in der Liste gebracht hat? Nein, sagte mein Bierhändler, es ist auch ein ganz besonders gutes fränkisches Dunkles.

Dunkles Vollbier, Brauerei­gasthof Drummer, 4,8 Vol.-%

Und er hatte recht. Ich war schon von der Farbe des Biers begeistert, ein klares Rostbraun, das fast ins Kirschige abgleitet. Es riecht leicht nach getrockneten Aprikosen, beim Trinken stößt man auf einen stämmigen Malzkörper mit Schokoladen- und Karamelltönen. Dennoch ist das Bier elegant und trocken und zieht die Süffigkeit mehr aus der samtweichen Perlage und Fruchtigkeit als aus der Süße. Mit so wenig Kohlensäure zu arbeiten, das muss man sich mal trauen! Aber es macht das Drummer unverwechselbar. Es ist ein Prototyp für das fränkische Dunkle, ein Charakterbier.

Im Brauereigasthof Drummer soll es neben gutem Bier auch Bohnakern geben, geräucherten Schweinebauch mit Bohnen und Klöß. Der Gasthof steht deshalb nun auf meiner unvollständigen Liste für Wanderziele ganz weit oben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen