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Jörn Kabisch AngezapftDas beste Bier für unterwegs

Foto: privat

Das Wegbier hat etwas Anarchisches. Es wird aus der Flasche getrunken, in der Öffentlichkeit, im Gehen. Eine Tätigkeit, die praktisch verhindert, dass sich irgendetwas schmecken lässt. Die Nase ist nahezu ausgeschaltet, wenn man den Flaschenhals mit den Lippen umschließt. Es ist kaum Luft im Spiel, die die Aromen in die Nasennebenhöhlen transportieren kann. Dort nämlich sitzt der eigentliche, der differenzierte Geschmackssinn.

Das ist nur einer der Gründe, warum sich Wegbiertrinker oft mehr mit dem Gebinde als mit dem Geschmack aufhalten. Es gibt Menschen, denen schmeckt nur der Inhalt brauner Flaschen, andere vertrauen auf Grün. Als ob die Glasfarbe den Geschmack beeinflussen würde. Natürlich!, merken an dieser Stelle Braunglastrinker an. Das dunklere Glas filtere die UV-Strahlung stärker und schütze besser vor dem sogenannten Lichtgeschmack. Das ist kein totaler Quatsch: Hopfen kann unangenehm ranzig werden, bekommt er zu viel Licht.

Als Nächstes sind Etikett und Marke wichtig. Dabei stehen in Berlin, wo mobiler Biergenuss längst zur Stadt-DNA gehört, ganze Kühlschrankbatterien in den Spätis. Kleinteilig differenzierte kulinarische Identitäten finden sich längst auch beim Wegbier: Von internationalen Industrieprodukten wie Heineken über regionale Importe wie dem Schwarzwälder Rothaus Tannenzäpfle bis zum quasi labelfreien, unabhängigen Bier aus dem Hause Premium-Cola ist alles möglich. Geschmacklich unterscheiden die Biere sich allerdings kaum, sie alle sind auf den allgemeinen Pilskonsens abgestimmt.

Ein wenig absetzen kann sich dabei nur das Bier, das sich gern als Urtyp bezeichnen lässt: Pilsner Urquell soll noch immer an der Rezeptur von 1842 orientiert sein, die Pils zu einem Megaseller hat werden lassen. Als Wegbier eignet es sich allemal: Der Kohlensäuregehalt ist etwas über Maß, also verzeiht das Bier, wenn die offene Flasche über einige Zeit bewegt wird. Der Alkoholgehalt ist bei einer ansprechenden Vollmundigkeit unterdurchschnittlich niedrig, steigt deshalb nicht so leicht zu Kopf, was ein Vorteil sein kann, will man mobil bleiben.

Pilsner Urquell, Plzeňský Prazdroj, Tschechien, 4,4 % vol.

Sollte man das Urquell doch mal aus dem Glas genießen, fällt sofort der für Pils untypische dunklere Farbton auf. In die Nase steigen malzige, erdige Aromen. Das Bier hat Körper, der Hopfen ist bitterwürzig. Noch besser zur Geltung kommt Urquell allerdings als Tankbier. Direkt aus dem Fass, unfiltriert, mit natürlicher Kohlensäure. Und garantiert ohne Lichtgeschmack.

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