Jörn Kabisch Angezapft: Wieß ist das bessere Kölsch
Ein Kölsch, das nicht in Köln gebraut wird, nennt man Wieß. Es gibt aber auch Kölschs, die in Köln gebraut werden und trotzdem nicht Kölsch genannt werden dürfen, sondern, weil sie etwas trüb sind, ebenfalls Wieß heißen müssen. Ist die Verwirrung schon komplett?
Man muss aus Köln stammen, um diese Logik zu verstehen. Am Rhein war das restriktive deutsche Reinheitsgebot nie genug. Man hat noch eins draufgesetzt. Die Kölsch-Konvention von 1985 ist ein Dokument der Abschottung. Nur ein helles und klares obergäriges Vollbier, das innerhalb der Stadtgrenzen oder von den Mitgliedern des Kölner Brauereiverbandes gebraut wird, darf Kölsch heißen.
Und wozu hat das Reglement geführt? Zur Musealisierung eines Bierstils. 16 Marken führt der Brauereiverband heute, einst waren es mal über hundert. Gut, die Kölner trinken nichts anderes als Kölsch. Aber was sie trinken, unterscheidet sich kaum voneinander.
Das trübe Wieß war ein Vorläufer des Kölsch, geriet aber in Vergessenheit und blieb von der rheinischen Reglementierungswut unangetastet. Heute findet man das Wieß wieder öfter, weil ungefilterte Biere wieder in Mode geraten und weil auch Brauer außerhalb Kölns sich für den Stil interessieren. Wer das interessantere Kölsch trinken will, muss Wieß trinken.
Wie zum Beispiel das „40ft“. Eigentlich ein Kölsch, aber nennen wir es, um dem Gesetz treu zu bleiben, nun eben Wieß. Der Brauer Ben Ott nennt es Larger, ein Spiel mit dem Wort „Lager“. Er stammt aus Nordrhein-Westfalen, ist aber schon vor Jahren, auch weil er mit der ganzen deutschen Bierlogik nicht mehr mitkam, nach England ausgewandert. Im Londoner Stadtteil Hackney produziert er sein Bier in drei Seefrachtcontainern, die er auf einen verlassenen Parkplatz neben einem Urban-Gardening-Projekt gestellt hat. Solche Container sind rund 12 Meter lang, nach englischem Maß 40 Fuß, daher der Name der Brauerei.
Larger, 40ft Brewery London, 4,8 % vol.
Jetzt aber zu seinem Kölsch, nein, Larger, oder noch besser: Wieß. Der leicht cremige Schaum verschwindet genauso schnell wie auf einem Kölsch. Das orangeblonde Bier ist leicht trüb, der Geruch hat, typisch obergärig, einen Hauch von Hefe, viel deutlicher aber sind Zitrusnoten und eine Ahnung von Sommerobst. Das entpuppt sich auf der Zunge als getrocknete Aprikose, die Kohlensäure ist spritzig moussierend. Ein erfrischendes Bier, wie gemacht für den Spätsommer. Und ich habe es, das spricht wiederum für die Stadt, in Köln gefunden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen