Jörg Haiders Witwer: Die Tränen von Stefan Petzner
Der Rechtspopulist Jörg Haider, sein Witwer Stefan Petzner und die Öffentlichkeit: Was gerade in Österreich und anderswo geschieht, ergibt in seiner Gesamtheit ein Schmierenstück.
Liest man dieses öffentlich dargebotene Stück mit einer Perspektive, die falsche Tränen von echten unterscheidet, wählt man eine Blickrichtung, die wahre Betroffenheit ermessen möchte, lohnt es sich, Bilder von der Trauerfeier Jörg Haiders anzuschauen. Was da in Klagenfurt zu sehen war, kommt einer Gegendiagnose zu Alexander Mitscherlichs "Unfähigkeit zu trauern" nah. Zehntausende von Österreichern weinten um einen ihnen extrem Beliebten.
In privater Hinsicht aber weckte freilich nur eine Person jene ein Publikum immer ein wenig beschämende Trostlosigkeit, die Trauer immer birgt: Und das war nicht die nominelle Witwe Claudia Haider, sondern der Partner Stefan Petzner.
Hemmungslos weinte er um den Verlust eines Geliebten, den er nun in Interviews als "Mann seines Lebens" bezeichnete. Seine Tränen waren erkennbar nicht die eines Mannes, der einen politischen Alliierten oder Lehrer verlor. Petzners erschütternde Reaktion bewiesen ihn als ersten und wichtigsten Hinterbliebenen.
Und was wird trotz dieser Bekenntnisse medial transportiert? Ein schmieriges Stück von verhohlenem Beschweigen und mit einem Vokabular, das den Fünfzigerjahren geziemt hätte - aber heute? Petzner und Haider waren ein Paar.
Eines, das sich dem Vernehmen nach unmittelbar vor dem Crash des Seniorpartners heftig in der Wolle hatte - wie es in tausenden von Ehen passiert. Sie haben, das legt die Rekonstruktion der letzten Stunden des Verunglückten nahe, einen bösen Konflikt gehabt; nicht unüblich bei allen Partnern und Gatten; das Normale quasi, wenn zwei, die als Paar eine Welt teilten, einander zu verlieren drohen.
Haider und Petzner waren seit Langem liiert, und Petzner hat dies nie verschwiegen. Allein: Das (überwiegend) heterosexuelle Publikum mochte es nicht zur Kenntnis nehmen; Haider selbst war kein Typ, sich damit zu outen, dass er morgens lieber mit einem Mann aufwacht - aber er hat es auch nie dementiert. Warum das so war?
Die heterosexuelle Öffentlichkeit mag diese Offensichtlichkeiten nicht. Selbst wenn nun von Interviews geredet wird, in denen Petzner ihre schwule Beziehung bestätigt, darüber schrieb noch gestern in Österreich niemand, und zu sehen oder zu hören ist dieses Interview bisher noch nicht.
Nur in der Irish Times werden seine Worte als das bezeichnet, was sind sind: eine Bestätigung der Beziehung. Überall sonst werden selbst die offensichtlichen Bekenntnisse nicht als solche gewertet. Als ob Petzner vor lauter Trauer nicht wüsste, was er sagte.
Das Offensichtliche zu sehen, das Paar Haider und Petzner, war schwierig: Ein Mann liebt einen Mann liebt einen Mann. Aber man wolle sie nicht outen, wohinter sich das ehrenwerte Motiv verbirgt, einer Person nicht schaden zu wollen.
Weil ein Outing ja eine üble Wirkung haben könnte. Doch das ist eine Unterstellung, nichts weiter. Denn in Wahrheit will man nicht anerkennen, dass Homosexuelle in ebenso verliebten, abtörnenden, öden, wieder auflebenden oder absterbenden Beziehungsverhältnissen leben wie Heterosexuelle.
So wurde aus Mediensicht das Offensichtliche in Sachen Haider und Petzner einfach ignoriert. Da schrieb die Süddeutsche Zeitung von "homophilen" Neigungen Haiders. Würde man eine Liebschaft eines Mannes mit einer Frau als "heterophile Neigung" bezeichnen?
Haider sollte nicht schwul sein und Petzner jetzt als Heulsuse verächtlich gemacht werden. Das im Übrigen aktuell mit Erfolg. Petzner wurde nicht, wie von Haider gewünscht, zu seinem Nachfolger als BZÖ-Fraktionschef im Parlament gewählt. Wohl auch, weil er sich allzu sehr als Witwer dargestellt hat. Als Kumpan war er wohl recht, als Witwer nicht mehr satisfaktionsfähig.
Das ist wenigstens ehrlich: Da wurde einer politisch durch die Erbmasse wie durch eine selbst angeschubste Geröllmasse erschlagen. Unehrlich hingegen: die Diffamierung des Schwulseins. Es war die österreichische Autorin Elfriede Jelinek, die Haider schon vor Jahren outete - und zugleich einen Zusammenhang mit homoerotisch-nationalsozialistisch Gefühlsseilschaften insinuierte.
Die Linke kennt sich bei dieser ideologischen Zuweisung aus: Nach Hitlers Machtübernahme schrieben KP-nahe Autoren, der Faschismus sei eine homoerotische Kumpanei. Auch hier darf anderes als wahr gelesen werden: Hinter Haider als Rudelführer der österreichischen Rechtspopulisten standen nicht mehr Männer als hinter jedem heterosexuellen Politik-Alphatier, heißt es nun Berlusconi, Bush oder Brown.
Bei Haider unterstellte das Publikum, entsetzt, dass er irgendwie nicht so recht heterosexuell spielte, nur Schlüpfriges. Und kultivierte so eine tiefe Furcht vor dem homosexuellen Gegenüber. Der weinende Petzner macht niemandem Angst. Die Deutlichkeit seiner Worte wird übergangen.
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