Joe Chialo bleibt Berliner Kultursenator: Vielleicht sollte er mehr auf sein Bauchgefühl hören
Joe Chialo bleibt in Berlin und wird nicht als neuer Kulturstaatsminister ins Kabinett von Friedrich Merz wechseln. Das ist keine so gute Nachricht.

D as Geraune in den Medien und der Kulturszene hat seit Montagmorgen ein Ende. Joe Chialo bleibt in Berlin und wird nicht als neuer Kulturstaatsminister ins Kabinett von Friedrich Merz wechseln. Für diesen Posten wurde der CDUler – wie auch der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda – immer wieder gehandelt. Nun aber soll der ehemalige Focus-Chefredakteur und Verleger Wolfram Weimer Nachfolger von Claudia Roth werden. Eine überraschende Entscheidung.
Dass Chialo auf seinem Posten bleibt, ist keine gute Nachricht. Denn es rumort in der hauptstädtischen Kulturszene. Die teils drastischen Einsparungen machen vielen zu schaffen. Statt die Etatkürzungen für unausweichlich zu erklären – in der Zeit sprach er von einer „notwendige Härte“ –, hätte sich Chialo besser Gedanken machen können, wie man etwa die Einnahmen des Landes oder der Kulturorte selbst erhöhen könnte. Schon wird gemunkelt, dass sich Chialo mit diesem Unvermögen nicht für den Job auf Bundesebene empfohlen hat.
Die Unzufriedenheit nimmt zu, was seine politisch-konservative Linie, aber auch was den Kommunikationsstil des Kultursenators angeht. Sein durchaus cleverer Versuch, die Zentral- und Landesbibliothek ins leer stehende Kaufhaus Lafayette in der Friedrichstraße zu holen, scheiterte. Rund um die von ihm angestoßene Antisemitismusklausel gab es ein juristisches Debakel.
Zuletzt hatte Kai Wegner, der Regierende Bürgermeister, eingegriffen und notwendige Gespräche mit Theaterverantwortlichen an sich gezogen. Warum das geschah, wurde nicht kommuniziert. Dafür war zu hören, dass sich Wegner und Chialo nicht mehr grün wären.
Wie tickt Joe Chialo?
Wie Chialo tickt, lässt sich übrigens hören – in der ARD-Audiothek. Dort findet sich das einstündige Gespräch mit Jana Simon für ihren RBB-Podcast „Alles anders“. Hier erfährt man viel über den Privatmenschen Joe Chialo, den Brüchen in seinem Leben. Und auch darüber, was es mit einem macht, wenn man als freier Unternehmer (Musikmanager) auf einmal Kultursenator mit all dem einengenden „Regelwerk“ wird. Er klagt über einen „Freiheitsverlust“ und darüber, dass er „keine Kontrolle mehr über seinen Kalender und sein Privatleben“ habe.
Joe Chialo hat früher fünf Jahre lang als Türsteher in Nürnberg gearbeitet, erzählt er im Podcast. Dabei habe er gelernt, auf sein Bauchgefühl (und sein Herz) zu hören. O-Ton: „Auch bei der Wahl meiner Schritte im Leben, sei es beruflich oder privat, hilft Bauch immer.“ In diesem Podcast kommt der Kultursenator sehr sympathisch und reflektiert rüber. Im politischen Alltag wirkt das anders. Das kann sich eine Stadt wie Berlin, die von der vielfältigen wie diversifizierten (freien, nicht kommerziellen) Kulturszene lebt, nicht länger leisten.
Sagen wir mal so: Joe Chialo sollte wieder mehr auf sein Bauchgefühl hören und seinen Job anders und besser machen. Oder der Regierende Bürgermeister könnte die Notbremse ziehen und die Kultur unter seine Fittiche nehmen. Das ist ein denkbares Szenario, denn im nächsten Jahr sind Abgeordnetenhauswahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen