piwik no script img

■ „Altlinke“ SPD wird in die Ecke der Verweigerer gestelltJetzt sind die Soz'n dran!

Nachdem die Grünen halb über den Tisch gezogen sind, konzentriert sich die mediale Eingreiftruppe mehr und mehr auf die bockbeinige Sozialdemokratie. Wer etwa, wie Oskar Lafontaine – jenes „Mahnmal aus alter Zeit“ (Heiner Geißler) – bewaffnetes Eingreifen der Nato noch immer auf das Bündnisgebiet beschränken will, gilt schon als „Fundamental- Pazifist“. Wer für eine „gewaltfreie Außenpolitik“ plädiert, wie Günter Verheugen im Vorwärts, wird von der Süddeutschen Zeitung „wegen Untauglichkeit“ zur Entlassung ausgeschrieben. Ja, selbst der renommierte Historiker Heinrich August Winkler schreibt in der FAZ, er sehe die unzeitgemäß friedensbewegte SPD isoliert. (Unter den Tisch fällt dabei, daß die SPD, was militärische Einsätze in Bosnien angeht, viel pointierter ja sagt als etwa Joschka Fischer.)

Wie lange wird die Troika der SPD dem Ansturm der Medien-Bataillone standhalten, wenn ihr täglich um die Ohren gehauen wird, wie hoffnungslos „altlinks“ und lernunfähig sie sei? Wie lange wird Gerhard Schröder seine abweichende Meinung zu Lafontaine unterdrücken können? So lange, wie kein bedrohtes VW-Werk auf dem Balkan gefunden ist?

Diese aggressiv geführte Militärdebatte wird die Republik stärker verändern als das geopolitische Geplapper der Neuen Rechten. Wenn sich „altlinks“ erst als neue demagogische Plattmacherformel durchgesetzt hat, wird jeden schwarz-grünen Flirt das Flair des Bürgerchics umwehen.

Bosnien könnte so die deutsche Parteienordnung nachhaltiger durcheinanderbringen als alles bisherige schwarz-grüne Getändel. Denn mit dem todernsten Thema Krieg gewinnen die Konservativen – ohne daß sie groß Hand anlegen müßten – die kulturelle Hegemonie, die Umwertung bisheriger Werte: Wer keine Waffen in Spannungsgebiete liefern will, ist nun ein Zyniker. Wer auf die UNO setzt, ein weltfremder Idiot. Waffenhändler sind „peacemaker“. Und vergessen die Zeiten, als wir lachten, wenn solche Begriffe auf Bomben standen.

Da bilden sich merkwürdige Konstellationen: Die tapfere, „langweilige“ Mehrheits-SPD, vom Strategen Geißler in die Sackgasse der Verweigerer gedrängt, trifft am Ende dieser Gasse auf den bösen Kater PDS. Lähmen wird es beide. Die einen aus Angst, die andern aus Gier. So diszipliniert Bosnien die komplette Opposition. Wenn es den „Soz'n“ nicht gelingt, „die Außenpolitik streitig zu stellen“ (so Verheugen umständlich altfränkisch), wird die Partei sehr bald sehr alt aussehen – altlinks und schwer gerupft. Wolfgang Michal

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen