: Jetzt ein frisches Blutbad
■ Lou A. Probsthayns neueWortspielwiesen „Dumm gelaufen“und „Die Welt ist Hund“
Gut, gut: Es gibt einen Kommissar, es gibt acht Mordopfer (mindestens), und auf den bibliophilen Buchdeckeln läßt sich jeweils „Kriminalroman“lesen. Aber sind Dumm gelaufen (gerade verfilmt) und Die Welt ist Hund (frisch erschienen) des Hamburgers Lou A. Probsthayn echte Krimis?
Dumm gelaufen beginnt mit der Seite 007, doch ein James Bond ist Bill Brook wahrhaftig nicht. Statt zu schießen badet der Kriminalkommissar lieber seine Ekzeme – Hommage an Gunter Gerlachs Kortison von 1995 – und ermittelt intuitiv. So erwischt er in Die Welt ist Hund zwar „die falsche Zeit und den falschen Raum“und kann deshalb der Leiche nicht mehr helfen, die gerade „ein frisches Blutbad genommen“hat. Doch wiederholt er schlicht den gestrigen Tag, um diesmal aber fünf Minuten früher aus der Tür zu stürmen und den Täter rechtzeitig vor dem Mord zu stellen.
Genial einfach, einfach genial: Da klappt es auch wieder mit den Nachbarn. Probsthayn kennt seine Werbung. Nur folgerichtig, daß in Dumm gelaufen jemand an einer präparierten Riechprobe von Cool Water abkratzt, logisch auch, daß Kapitel 17 unterbrochen wird von einer Werbepause (nämlich Kapitel 18) und Kapitel 19 noch einmal die letzte Seite von Kapitel 17 wiederholt. Probsthayn, im letzten Jahr Stipendiat der Arno-Schmidt-Stiftung, verwurstet auch klassische Literatur, Redewendungen, Filmtitel, Kinderlieder und sicher noch einiges andere. Trotz allem Bekannten und Zitierten, das die Gedanken der Leser ja wie Rotkäppchen vom rechten Weg und von Höcksken auf Stöcksken bringen könnte, wird das Publikum immer wieder in die Mord-Stories eingesogen. Dafür sorgen die Logik links des Weges, die wunderschönen neuen Verben (“'Aber...', aberte Afram“), der lakonische Witz Probsthayns und seine ironischen, griffigen Beobachtungen im Hamburger Hochhausmilieu.
Dennoch besteht die Gefahr, daß sich in weiteren Romanen der Plot auf der Sprachspielwiese verliert. Zuviel Sperenzchen und selbstverliebte Kapriolen. Eine Tendenz dazu besteht bereits in Die Welt ist Hund. Etwas Geiz mit den reichlich vorhandenen Mitteln wäre also wünschenswert.
Sören Harms
Lou A. Probsthayn: „Dumm gelaufen“. Hamburg/Bremen: Achilla Presse 1996. 26 Mark; „Die Welt ist Hund“. Ebd. 1997. 26 Mark. Lesung: heute, aus Die Welt ist Hund, dann Party mit der Rap-Formation Zentrifugal,LAOLA-Club, Rentzelstraße 17, 20 Uhr
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