: Jeder Vierte soll gehen
Bremerhavener Nordeseezeitung steht vor einer Radikalkur: Über 100 von 450 Mitarbeitern sollen von der Lohnliste verschwinden. Betriebsrat will verhandeln
Die Geschäftsführung der Bremerhavener Nordsee-Zeitung hat am Montag die Belegschaft mit einer schlechten Nachricht überrascht: Ein Viertel der Belegschaft soll gehen. Die Unternehmensberater der Roth-Consult haben den Betrieb über mehrere Monate durchleuchtet und dann ein Konzept vorgelegt, das diese weitreichenden Konsequenzen hat. Über alle Bereiche kann die Arbeit von weniger Menschen gemacht werden, das ist zusammengefasst ihre Botschaft. In der Redaktion soll ein Dutzend Stellen gestrichen werden, rund 50 Stellen sollen im Druckbereich weg, auch die kaufmännischen Bereiche werden abgespeckt.
In einer spontanen Betriebsversammlung wurde gestern die Belegschaft informiert. Betriebsratsvorsitzender Uwe Roes sieht noch Hoffnungen, mit dem Verlag in konstruktive Verhandlungen zu kommen, und möchte deshalb keine Details mitteilen. Nur so viel: „Rechenschiebermodelle“ seien das, was die Betriebsberater vorgelegt haben, meinte er. Auch bei anderen Verlagen, in denen die Consulter tätig waren, hätten sich die Vorschläge nur teilweise als umsetzbar erwiesen. Ziel der Gespräche mit der Geschäftsleitung sei es, eine andere Lösung zu finden. „Wer hier in Bremerhaven jetzt seine Arbeit verliert, findet keine mehr“, so die Erfahrung des Betriebsrates. Während die Geschäftsleitung eigentlich nur über einen Sozialplan reden wollte, schließt der Betriebsrat nichts aus – denkbar wären auch Arbeitszeitreduzierungen ohne Lohnausgleich für alle, um Arbeitsplätze zu retten.
Die Unternehmensberater waren in der Vergangenheit schon beim „Stader Tageblatt“, das umfangreiche Kooperationsbeziehungen zum Verlag der Nordseezeitung unterhält. Die Nordsee-Zeitung erscheint in einer Art „Patchwork-Familienunternehmen“ der modernen Art: Der betagte Alt-Verleger Dr. Joachim Ditzen-Blanke besitzt die Mehrheit, seine frühere Frau hält noch Anteile. Seine neue junge Frau Roswitha Ditzen-Blanke arbeitet als Geschäftsführerin in der Firma, sie ist die Schwester des Chefredakteurs Jörg Jung.
Hintergrund des radikalen Kürzungsplanes ist die schwierige Lage der Branche, über Umsatz und Gewinn sind aber keine Zahlen zu erfahren. Die Geschäftsführung war gestern für die taz nicht zu errreichen. Dem Vernehmen nach liegt das Gruppenergebnis noch im schwarzen Bereich, der Verlegerfamilie reicht der Überschuss nicht.
K.W.
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