Analyse: Jedem seine Steuer?
■ Waigel will Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern ändern
Nachdem eine Steuerreform fürs erste gescheitert ist, herrscht Hochkonjunktur für politisches Methadon, sprich: für Ersatzreformen. Denunzianten von Steuersündern sollen belohnt werden, und wenn es nach Finanzminister Theo Waigel geht, können Bund und Länder künftig unabhängig voneinander über Erhöhung und Senkung von Steuern entscheiden. Auf diese Weise, so Waigels Kalkül, ließe sich Streit zwischen Bundestag und Bundesrat wie bei der Steuerreform vermeiden. Waigels Vorschlag zielt in eine Richtung, die insbesondere von den finanzstarken unionsregierten Ländern Bayern und Baden-Württemberg verfolgt wird: die Aufkündigung des solidarischen Ausgleichs zwischen den Länderinteressen.
Auf ihrem Parteitag im November 1997 hatte die CSU sich schon dafür ausgesprochen, die Höhe der Sozialabgaben nach der Wirtschaftskraft der Bundesländer zu staffeln. Am ehesten würde noch die FDP dem Waigel-Plan zustimmen. Laut Parteiprogramm möchte sie sogar den Gemeinden erlauben, ihre Beteiligung am Steueraufkommen durch die sogenannten Steuerhebesätze individuell zu regeln. Die FDP will dadurch den Wettbewerb zwischen den Gemeinden anregen. Leistung soll sich lohnen.
Bei der SPD gibt es Differenzen zwischen einigen Länderregierungen und der Bundestagsfraktion. Der Finanzexperte der SPD-Fraktion, Joachim Poß, lehnt die Länderhoheit für die Einkommensteuer ab, weil dadurch das Verfassungsgebot der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse verletzt würde. Reiche Länder würden reicher, arme noch ärmer. Vergleichsweise finanzstarke SPD-regierte Länder wie Nordrhein-Westfalen und Hessen denken aber sehr wohl darüber nach, wie sie von ihrer Wirtschaftskraft stärker profitieren. Was nutzt es uns, sagen die Hessen, wenn wir Investitionsprogramme auflegen, und unter dem Strich zahlt sich das für uns nicht aus, weil alle Steuereinnahmen in einen Topf kommen. Die CDU verhält sich abwartend. Baden-Württemberg jedoch will eine Änderung des Finanzausgleichs. Die Steuerhoheit käme dem Land erst recht gelegen.
Eine Reform des Länderfinanzausgleichs, insbesondere die Durchsetzung des Waigel-Vorschlags, ist dennoch unwahrscheinlich. Schließlich wäre dafür eine Grundgesetzänderung erforderlich, der jeweils zwei Drittel der Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats zustimmen müßten. Vor allem der Bundesrat würde wohl nicht mitmachen. Schließlich leben elf von sechzehn Bundesländern zur Zeit auf Kosten der anderen fünf. Nur die Geberländer beim Finanzausgleich, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Niedersachsen (alle SPD) sowie Bayern und Baden-Württemberg (CSU bzw. CDU), würden von Änderungen profitieren. Markus Franz
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