piwik no script img

Jean Paul Gaultier, Prince, die Geschichte mit dem „Faux Cul“ und was sonst noch so los warBsss! Bsss! Bssssss!

Ausgehen und rumstehen

von Jenni Zylka

Wie konnte ich das nur vergessen: Das genervte „Bsss!! Bsss! ­Bsssss!!“, das Chris Tucker alias Ruby Rhod jedem entgegenzischt, der sich verziehen soll. Dabei hatten wir es damals sogar in unserem aktiven Sprücheschatz. Das wird aber jetzt so was von wieder herausgeholt.

Jean Paul Gaultier jedenfalls, der für Luc Bessons Film „Das fünfte Element“ die unfassbaren Kostüme kreierte und damit auch Ruby Rhods Ganzkörper-Leo-Suit und das üppige Rosendekolletee bastelte, erzählt am Freitag bei der „Mein Film“-Veranstaltung der Deutschen Filmakademie, dass Prince, Gott hab ihn selig, einst als Ruby-Rhod-Darsteller im Gespräch war. Es habe sogar ein Vorabtreffen gegeben.

„Önd“, sprudelt Gaultier auf der Bühne der Astor Lounge in seinem süßen Franco-Englisch, „Luc was a lietel late, so I was talkieng to Prince önd tellieng ’im about the costüms …“ Prince, schildert Gaultier weiter, wirkte etwas irritiert, als er ihm voller Verve von der Idee mit dem „Faux Cul“, also einer Tournüre, vorgeschwärmt habe. Ob Prince sich tatsächlich mit der Fake-Hintern-Mode des 19. Jahrhunderts auskannte und diesen aufgedrehten Franzosen, der etwas faselte, das in amerikanischen Ohren wie „Fuck you“ klingt, und dabei auf Prince’ „Derriere“ zeigte, richtig verstanden hat?

Gaultier schüttelt vor dem sich kringelnden Publikum fürderhin Story um Story aus dem Ärmel und stellt nebenbei noch klar, dass Besson zwar tolle Filme mache, aber im richtigen Leben doch eher einen bescheidenen Modegeschmack habe. Welch ein Partyknüller, dieser Gaultier! Am liebsten würde ich ihn mal auf ein Glas Puffbrause einladen. Das ergab sich aber nicht.

Später kreuzt dafür ein kleines Großstadtschicksal meinen U-Bahn-Weg. Denn der Kioskverkäufer auf dem Gleis am Mehringdamm sucht auf den Kaugummipackungen seiner Auslage herum und fragt mich fassungslos: Wie kann jemand einen Kassierteller klauen? Kommt drauf an, was drauf lag, sage ich … Oder ein Sammler?

Aber die gute Laune verhagelt uns das nicht. Und so wackeln wir Samstagabend zur Claude-Horstmann-Finissage in der Galerie Laura Mars, die heimlich auf Bar trainiert: Galeristin Gundula schenkt Cremant, die kleine, talentierte Schwester vom Champagner, aus, im Ghettoblaster läuft prima Ghettomusik, und die Künstlerin ist anwesend und freut sich über jeden, der kommt und guckt. Mit Oberflächen hat sie experimentiert, eine glatte weiße Marmorplatte, die aus einer römischen Therme stammen könnte, mit schlichten schwarzen Marker-Kreuzen gespickt wie mit historischen Graffiti-Tags eines analphabetischen Sprayers. „Second Surface“ heißt das Werk.

Daneben hängt eines namens „Sirius“, ein weißes, steinartiges Gebilde mit unebener Oberfläche an einer Stahlkette, und war Sirius nicht der Name eines Sterns, auf dem noch niemand gelandet ist? Wer weiß also, ob er nicht genauso aussieht? „Surface“ steht auch in Schreibschrift auf einigen der Bilder, was erstens de facto stimmt und zweitens in seiner Schlichtheit an die tollen Bruce-Nauman- oder Jenny-Holzer- Arbeiten erinnert, auch wenn hier kein Neonlicht verwendet wurde (das spart Strom!).

Und weil ja Jazz glücklicherweise schon lange nicht mehr von einer brillentragenden Musiklehrerfront besetzt ist, gehen wir nachts noch in die Jazzbar „The Hat“ in Charlottenburg, wedeln die wenigen Touris mit ein bisschen „Bsss! Bsss!“ aus dem Weg und hören Maori beim Jammen zu, wobei ich nicht sicher bin, ob es wirklich Maori sind, aber ich würde das gern glauben. Sie spielen indes großartig. Um ein Haar frage ich, ob sie als Abschluss vielleicht einen Haka vorführen könnten. Aber das ist mir dann doch zu riskant.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen