Japaner in Hamburg: Mit den Gedanken in Tokio
2.500 Japaner leben in Hamburg. Einer von ihnen verkauft Keramik und Nippes in der Grindelallee. Ein Besuch im Japan-Shop - drei Tage nach dem Erdbeben.
HAMBURG taz | Er tippt mit dem Finger auf eine Karte und zeichnet die Umrisse seiner Heimat nach: Japan. 43 Jahre ist Toshio Asada schon in Deutschland, letzten November ist er 70 geworden.
"Noch jung", sagt er und zündet ein Räucherstäbchen an. Er wirkt aufgeweckt, fast fröhlich. Dass er jeden Tag acht Stunden in seinem Laden steht und manchmal nur wenige Kunden kommen, mache ihm nichts aus.
In dem etwa 15 Quadratmeter großen Raum ist er umgeben von Keramikschalen und Origamipapier. An der Wand hängen Kimonos, im Schaufenster winken weiße Katzen.
Die Nachricht von dem Erdbeben am Freitag hat er in den Sieben-Uhr-Nachrichten im Radio gehört, per Kopfhörer, um seine Frau nicht zu wecken. Seitdem bekommt er ständig Faxe mit Informationen von seinen Freunden in Tokio und anderen Städten.
Auf seine Japan-Karte hat er rote Punkte gemalt, überall da, wo die Erde gebebt hat - daneben, mit Bleistift geschrieben, die Werte auf der Richterskala. Nigata: 6.6, Nagano: 6.7.
"Man muss schon fast sagen: Es ist ein Glück, dass die betroffene Region im Nordosten eher schwach besiedelt ist", sagt er. Bei einer Katastrophe von diesem Ausmaß im südlichen Teil Japans wären seiner Meinung nach weitaus mehr Menschen gestorben.
Asada selbst hat keine Verwandten oder Freunde bei den Erdbeben und der Tsunami-Welle verloren. Zumindest hofft er das. "Natürlich habe ich noch nicht jeden erreicht."
In Hamburg und Umgebung leben etwa 2.500 Japaner. Laut Generalkonsulat hat sich bisher noch keiner gemeldet, um sich nach einem vermissten Angehörigen in der Krisenregion zu erkundigen. "Wir können ja auch nicht mehr machen, als dort anzurufen", sagt der Konsul Hiroyuki Yakabe.
Jede Stunde bekomme er per Telefon oder E-mail aus dem zuständigen japanischen Ministerium die neuesten Informationen, aber auch viele Anrufe von Hamburgern, die ihm und den Japanern in der Stadt ihre Solidarität und ihr Beileid bekunden wollen. Darüber freut sich Yakabe sehr.
Was ihn ärgert, ist die Berichterstattung der deutschen Zeitungen. "Es stimmt einfach nicht, dass die japanische Regierung Informationen vorenthält", sagt Yakabe.
Der Regierungssprecher könne eben nicht mehr machen, als auf die Analysen der Wissenschaftler und Techniker vor Ort zu vertrauen. Über Sinn und Zweck der Atomenergie möchte sich Yakabe nicht äußern. "Jetzt geht es darum, die dreifache Katastrophe aus Erdbeben, Tsunami und Atomunfällen zu verarbeiten."
Asada in seinem Laden hat eine klare Meinung zur Atomkraft: "Für die Menschen rund um die Atomkraftwerke ist das eine einzige Katastrophe", sagt er. "Aber für den Rest der Welt ist es gut, was da passiert ist."
Jetzt könne niemand mehr an die Sicherheit der Atomenergie glauben. "Natürlich gehören die Atomkraftwerke abgeschaltet."
Er selbst beziehe jedoch nur zu Hause Ökostrom, in seinem Laden könne er sich das nicht leisten. Aber er spart Energie, wo er kann. Der Kühlschrank im Laden ist nicht in Betrieb.
"Es ist doch so: Wenn wir alle 20 bis 30 Prozent weniger Energie verbrauchen würden, dann bräuchten wir auch keine Atomenergie mehr." Aber so etwas wollten die Menschen ja nie hören.
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