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JapanWohnort Internet-Café

Das ist echtes Prekariat - 5.400 Japaner übernachten regelmäßig in Internet-Cafés, weil sie sich keine Wohnung mehr leisten können. Betroffen sind vor allem junge Freischaffende.

Nicht jeder kommt nur zum Zocken oder Surfen ins Internet-Café. Bild: dpa

TOKIO dpa/taz In Japan übernachten rund 5400 Menschen in Internet-Cafes und nutzen sie aus Geldgründen als Ersatzwohnung. Das ergab eine erstmals von der Regierung durchgeführte und am Dienstag veröffentlichte Erhebung. Demnach sind knapp ein Drittel derer, die keine feste Adresse haben und nachts Zuflucht in 24-Stunden-Internet-Cafes suchen, im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Weitere 23 Prozent sind in ihren 50ern und verdingen sich oft als Tagelöhner oder sind arbeitslos. Das Gesundheitsministerium will diesen Menschen nun helfen, indem sie ihnen Arbeitsplätze vermittelt, bei denen ihnen Unterkünfte bereitgestellt werden, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo berichtete.

Für die Erhebung zu den sogenannten "Netz-Cafe-Flüchtlingen" hatte das Ministerium rund 2000 Übernachtungsgäste in 87 Internet-Cafes sowie außerhalb solcher Einrichtungen im ganzen Land befragt. Danach schlafen acht Prozent der Befragten in solchen Cafes, weil sie kein eigenes Dach über dem Kopf haben. Basierend darauf schätze das Ministerium, dass landesweit rund 5400 Menschen Internet-Cafes als Ersatzwohnung benutzen, hieß es. Viele von ihnen sind "Freeter", eine Ableitung vom englischen "free" und dem deutschen "Arbeiter". So werden in der zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt junge Leute genannt, die von einer Teilzeit-Arbeit zur nächsten springen.

Inzwischen arbeitet jeder dritte Beschäftigte in Japan mit einem temporären Vertrag. Dies hat dazu geführt, dass immer mehr Japaner in relativer Armut leben. Mancher leidet unter Depressionen oder an anderen Krankheiten. Wer nicht mehr arbeiten kann, verliert am Ende auch seine Wohnung. Zuflucht suchen viele Freeter dann in Internet- Cafés, die Übernachtungsmöglichkeiten samt Duschen bieten.

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