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Janssen gegen „Siemensstadt“

■ Umweltschützer wollen nicht gutes Hollerland für reine Büro-Arbeitsplätze hergeben

Gerold Janssen, inzwischen Bundesverdienstkreuz-dekorierter Umweltschützer, stand gestern morgen wieder mit Gummistiefeln in seinem Hollerland: „Wir werden kämpfen, Die werden sich wundern“, erklärte er den Journalisten.

Ihm geht es diesmal um ein Gebiet nördlich des Berufsbildungswerkes, das in den Planungen „Uni-Ost“ heißt.

„Ich nenne das Siemens-Stadt“, sagt Janssen, denn hier sollen die verstreuten bremischen Siemens- Büros und Betriebe konzentriert werden. Aktenkundig ist das noch nicht, beschlossen haben das die zuständigen Gremien auch noch nicht — der Senat habe das aber vor Jahren der Firma fest zugesagt, hat der frühere Senator Kunick kürzlich im Wirtschaftsförderungs-Ausschuß mitgeteilt. „Das ist für uns bindend“, sagt der Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft (WFG), Matys.

„Das ist ein Unsinn“, schimpft Gerold Janssen. Kein einziger Arbeitsplatz werde neu geschaffen, dem reichen Konzern würden noch bremische Subventionen nachgeworfen (12 Prozent auf die 20 bis 30 Millionen Mark teure Investition). Der technologieorientierte Teil der Siemens-Aktivitäten, die Computer-Tochter Siemens-Nixdorf, ist längst im Technologiepark, hundert Meter weiter, angesiedelt — mit Technologie habe das, worum es jetzt geht, nichts zu tun.

Gerold Janssen sperrt sich nicht prinzipiell gegen eine gwerbliche Nutzung des 10-12 Hektar großen Geländes, er will aber eine Mischung und kleinerer Einheiten: 4 Hektar wirkliche Technologie- Betriebe, 4 Hektar Wohnbebauung, 4 Hektar Naturpark — das wäre eine städtebaulich sinnvolle Lösung, die eine Nische für den Naturschutz lassen würde: Mit 80 Kreuzen und Stelltafeln hat die Bürgerinitiative zur Erhaltung des Hollerlandes darauf hingewiesen, wie reichhaltig seltene Arten auf diesem landwirtschaftlich nicht genutzten Gebiet erhalten sind. Das Tagpfauenauge, der Distelfalter, die Posthornschnecke, das Heupferd — „wo gibt es das schon, heutzutage?“

Wenn Siemens seine Büro- und Reparaturbetriebe konzentrieren will, gibt es dafür verschiedene andere Möglichkeiten außerhalb des Technologieparks, sagt Janssen. Einen Platz hat er jüngst auch dem Wirtschaftssenator gezeigt: In Horn-Lehe-West, hinter den Sendemasten, direkt am Autobahnzubringer.

Dort würde Gewerbe weniger stören, eine große Wiese müßte von einem Bauern erworben werden. Janssen hat schon verschiedene Politiker dort herumgeführt — „damit sie wissen, wovon sie reden“. Skeptisch ist er, ob Wedemeier die Siemens gegebene Zusage revidiert. Die fehlende Technologie-Orientierung sei durch „Staatsraison“ ersetzt worden, witzelt Janssen, „Siemens wollte einfach eine gute Adresse, und Wedemeier hat die Hosen voll gehabt“. Wie auch schon früher habe Siemens das Bundesland wieder mit dem Hinweis zu erpressen versucht, Arbeitsplätze abzuziehen.

Wirtschaftssenator Jäger ist von dem Gelände an den Sendemasten beeindruckt (“eine gute Fläche“), allerdings nicht für Siemens. Einerseits fühlt er sich an die „Bekundungen von seinerzeit verantwortlichen Senatoren“ gebunden, andererseits hofft er, daß Siemens vielleicht später Technologie-Abteilungen nach Bremen verlegt, wenn es einmal in Uni-Nähe angesiedelt ist. „Manches entwickelt sich erst aufgrund der praktischen Nähe.“

WFG-Geschäftsführer Matys ist guter Hoffnung, daß noch bis zum Sommer diesbezügliche Gespräche mit dem Konzern abgeschlossen werden. Offenbar hat die WFG auch Bedenken wegen der fehlenden Technologie- Orientieung des Projektes, entgegen ursprünglichen Planungen sollen nun nur noch 5 Hektar an Siemens vergeben werden. Auf die anderen Flächen sollen Technologie-Firmen im engeren Sinne des Konzeptes. Die Wiese hinter den Sendemasten ist für die WFG derweil keine Alternative: „Der Bauer ist damals gefragt worden, er wollte nicht für Gewerbe verkaufen.“ K.W.

Am Donnerstag abend wird es im Beirat Horn um das Thema gehen.

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