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Jannis Papadimitriou über das griechische TV-DuellKaum schlau geworden

Wie es nach der Wahl weitergehen soll? Die Kandidaten blendeten diese Frage aus

Die Erwartungen waren groß: Erstmals seit den neunziger Jahren würde in Griechenland eine „Elefantenrunde“ mit den Chefs aller im Parlament vertretenen Parteien stattfinden – nur wenige Tage vor der richtungsweisenden Wahl am 20.September. Sechs der besten griechischen Journalisten sitzen Top-Politikern gegenüber, alle TV-Anstalten übertragen live. Und dann das: Jeder Journalist darf nur in einer bestimmten Reihenfolge fragen und höchstens eine Folgefrage stellen; die Politiker haben 90 Sekunden Zeit für ihre Antwort und dürfen sich nicht direkt austauschen oder selbst Fragen stellen. Eine ergiebige Debatte sieht anders aus.

Das Hauptproblem war jedoch ein anderes: Der Erkenntniswert der Debatte war denkbar gering, weil die beteiligten Politiker um den heißen Brei herumreden wollten. Sie machten lange Ausführungen über frühere oder vermeintliche Verhandlungs­erfolge gegenüber den Geldgebern, über tatsächliche oder frei erfundene Korruptionsvorwürfe, über mögliche oder erwünschte Koalitionsoptionen nach der Wahl – nicht jedoch über die Frage, wie es nach der Wahl am 20.September wirklich weitergeht mit dem längst unter ihnen vereinbarten Katalog der Grausamkeiten: mit Steuererhöhungen, Einschnitten, Ausgaben- und Rentenkürzungen.

Diese Frage wird wohl ausgeblendet, am liebsten von den Politikern selbst. Bei nüchterner und ehrlicher Betrachtung der Lage hätten sie den Wählern nämlich mitteilen müssen, dass ab sofort bis Ende 2018 insgesamt 223 Sparziele und Einzelmaßnahmen zur Realisierung anstehen – 157 davon werden laut derzeitiger Planung bis Ende 2015 umgesetzt.

Gewiss, mit solchen Ankündigungen erzielt man als Politiker wahrscheinlich keine berauschenden Wahl­erfolge. Aber vielleicht gewinnt man an Glaubwürdigkeit, die bei der übernächsten Wahl auch nicht schaden könnte. Und die Erfahrung in Griechenland zeigt: Bis dahin dauert es bestimmt nicht allzu lange.

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