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Jan-Paul Koopmann Popmusik und EigensinnDeutsch mit Zweifeln

Witts bekannteste Lieder, weiß Wikipedia, „sind ‚Goldener Reiter‘, ‚Tri tra trullala (Herbergsvater)‘ und ‚Die Flut‘“. Das ist so schön, weil es stimmt. Weil diese drei Lieder, die unterschiedlicher kaum sein könnten, tatsächlich fast jeder kennt, jedes irgendwie stilbildend war und trotzdem Rätsel aufgibt. Ganz besonders, seit Witt sich Ende der 90er der „Neue Deutsche Härte“ angeschlossen hat.

Sein Übertritt von NDW zu NDH hat damals die Schwarze Szene irritiert, weil sie vom Goldenen Reiter nur den Refrain noch im Ohr hatte: „Hey, hey, hey / Ich war der goldene Reiter / Hey, hey, hey / Ich bin ein Kind dieser Stadt.“ Nichts davon wollte man sein. Ein Reiter zur Not noch, aber nicht golden, zur Stadt nicht gehören und bestimmt nicht „Hey“ sagen. Finster war’s trotzdem: „Sicherheitsnotsignale / Lebensbedrohliche Schizophrenie / Neue Behandlungszentren bekämpfen die wirklichen Ursachen nie“.

„Die Flut“ war eingängiger, eine plumpe Untergangsfantasie, aber eben auch ein starker Wunsch nach etwas radikal Anderem. Die Spannung zwischen Witt und Duettpartner Peter Heppner haben in einer deutlich weniger bekannten Coverversion zwei andere Spaßvögel herausgearbeitet: „Onkel“ Tom Angelripper und Heimorgel-Malträteur Mambo Kurt. Und das ist wirklich ein schönes Lied, weil es die gleiche Wucht und die gleiche Schwere hat – aber obendrauf noch dazu sagen konnte, wie beknackt das alles im Grunde doch ist.

Heute tourt Witt mit „Rübezahl“: dunkel dräuende Sounds, wuchtig, aber leicht verdaulich. Nach langer Zeit kommt der Riese nach Hause: „Erde, tief in dieser Erde / Geisterfahrt zum Mittelpunkt / Heimat, das ist seine Heimat, / das macht unser Leben bunt.“ Heimat, Sagen, deutscher Schwulst, aber eben auch: „bunt“. Dieser Rübezahl ist kein Wagner’sches Deutsch­ungetüm, sondern eher ein entfernter Verwandter von dem, der in Heines Wintermärchen nach Hause kommt: „Seit ich auf deutsche Erde trat / Durchströmen mich Zaubersäfte / Der Riese hat wieder die Mutter berührt / Und es wuchsen ihm neu die Kräfte.“

Bescheuert ist es trotzdem, jemandem zuzuhören, der beim Singen von der Heimat nicht ins Schwelgen kommt, sondern um die Sache ringt, die nicht so recht die seine ist.

Samstag, 21. 4., 20 Uhr, Tivoli

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