Jan Feddersen übrigens: Ein heißer Sommer ganz ohne Sex, Liebe und Beziehungen
Neulich klagte eine lose Bekannte über die Männer. Die seien so gemein. Dieser ganze heiße Sommer sei ein einziges Elend, weil sie eben versetzt worden war. Von einem ähnlichen Plot las ich in der letzten wochentaz: Männer bei der Anbandelung, ungalant und unbestimmt in so gut wie allem. No Mr. Right in Sicht. Sie erwäge nun, die Maia, einen Sommer ohne Männer.
Ihre Story war von erfrischender Parteilichkeit in eigener Sache. Ein Freund, der Torben, erzählt es ihr gleich, ebenso kürzlich. Wir waren verabredet, im Weinlokal in Neukölln. Und was als netter Abend mit Brückenschlag über die Generationen hinweg begann – er hätte mein Enkel sein können –, mutierte unversehens erstens zur Klage über die Frauen, zweitens musste er eilends weg, denn auf seiner Kontakt-App meldete die von ihm ausgesuchte Frau: Komm jetzt – oder es kommt ein anderer.
Er erläuterte noch kurz, das meine sie ernst, er fürchte, bald gar nicht mehr Sex haben zu können, von Romantik zu schweigen, dauernd seien die Frauen, die er gut finde, wählerisch, würden Anrufe von ihm blockieren … und nun überlege er, eine spirituelle Wanderung durchs finnische Karelien anzutreten, da fühle er sich zwar auch allein, aber das wenigstens mit Konzept. Ich grübelte und verstand: Die Heteros ahmen die Schwulen nach, Männer wie auch Frauen, gelebte Geschlechtergerechtigkeit. Cruising around the clock … seit einigen Jahren inkl. App, wer gerade, wo man zu tun habe, fuckable herumläuft.
Jan Feddersen
ist seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.
So war es einst und so ist es noch heute: Die Gesetze des Kontaktmarktes sind, wo nicht zwangsverheiratet wird, hart. Mr. oder Mrs. Right zu finden ist schwer, wenn man gleichzeitig keine Kompromisse machen will, Perfektion vom oder von der anderen erwartet wird. Und wie sagte der deutsche Philosoph Stefan Raab einmal in einem seiner weisesten Momente? Man solle abtreten, wenn es am schönsten ist – aber woher soll man wissen, ob es nicht noch schöner geht?
Der Torben jedenfalls hat es gut gehabt, trotzdem gab es kein zweites Treffen. Die Frau hat ihn geghosted, also auf stumm und aus der Welt geschaltet. Er hat jetzt doch nicht Kuopio gebucht, sondern ein Praktikum auf einer Alm in der Schweiz. Frauen sind auch dabei, er will prinzipiell am Ball bleiben. Was sollte er auch sonst tun?
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