Jamaika-Koalition als Option für den Bund: Sagen Sie jetzt nichts
Ein Jamaika-Koalition könnte in Berlin die einzige Machtoption der Grünen sein. Wie wahrscheinlich ist es, dass sie mit Union und FDP koalieren?
Das ist die offizielle Sprachregelung. Führende Grüne vermeiden es, irgendeine Präferenz für eine Koalition erkennen zu lassen, auch wenn, so ist der Stand der Umfragen, Jamaika die einzige Machtoption für die Grünen in Berlin werden könnte. Göring-Eckardt und ihr Ko-Spitzenkandidat Cem Özdemir wissen, wie empfindlich Teile ihrer Wählerschaft auf Koalitionen mit einstigen Gegnern reagieren.
Jedes Wort zu viel könnte den 8-Prozent-Sockel, auf dem die Grünen im Moment stehen, weiter bröckeln lassen. Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen, äußerte sich gestern ähnlich. „Auf Bundesebene ist es anders als auf Landesebene“, sagte er. Die Grünen schlössen die Zusammenarbeit mit der AfD aus, mit der SPD hätten sie die größte Schnittmenge. „Alles andere sieht man später.“
Doch wahr ist auch: Dass Monika Heinold und Robert Habeck, die führenden Kieler Grünen, zügig und pragmatisch ein Bündnis mit CDU und FDP geschmiedet haben, regt die Fantasie an, in der Ökopartei und in den Medien. Ein Jamaika-Bündnis unter Angela Merkel ist gar nicht so unwahrscheinlich, wie es zunächst scheint. Dass ein offizieller Ausschluss dieser Option unsouverän und ängstlich wirkte, geben auch erklärte Linksgrüne hinter vorgehaltener Hand zu.
Außerdem wird der Druck zunehmen: Wenn sich die Stimmung in den Umfragen nicht dreht und Merkel weiter deutlich vorn liegt, dann könnte die Frage lauten: Kommt wieder eine Große Koalition – oder ringen sich die Grünen zu einem Jamaika-Bündnis durch? Die CSU, auf die Göring-Eckardt anspielt, würde die Vierer-Koalition sicher erschweren, aber Horst Seehofers Truppen haben sich schon oft flexibel gezeigt, wenn es um den Machterhalt ging. Und die führenden Grünen sind fest entschlossen, die zwölf Jahre Opposition hinter sich zu lassen. Jamaika ist deshalb eine Option, die man auf dem Schirm haben sollte.
Göring-Eckardt vermied es am Mittwoch, den Abschluss der Verhandlungen in Kiel zu bewerten. „Wenn der Landesverband Schleswig-Holstein sagt, dass das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen passt, dann passt es auch für uns.“ Details seien ja noch nicht bekannt, sie sei gespannt. „Es ist immer gut, wenn es mit grünen Inhalten Fortschritte gibt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken