: Jagdflieger im Matsch
■ Wrack und sterblichen Überresten eines Piloten ausgebuddelt
Ein Arbeiter tippt Jock Smith, Verbindungsoffizier vom englischen Verteidigungsministerium, auf die Schulter. „Hier, wir haben sein Portemonnaie gefunden – ein Penny liegt noch drin“, sagt der Munitionshelfer und öffnet seine Hand. Jock Smith wirft einen Blick auf die Münze und lacht. „Dafür kann ich mir nichts kaufen.“
Seit 10 Uhr morgens buddelt und baggert ein Team von acht Arbeitern auf dem Neubaugelände des Güterverkehrszentrums im Motter nach Wrackteilen eines britischen Flugzeugs und den sterblichen Überresten des Piloten. „Wahrscheinlich handelt es sich um ein Jagdflugzeug, das zur Sicherung von Bombergeschwadern eingesetzt wurde“, vermutet Andreas Rippert, Leiter des Bremer Kampfmittelräumdienstes. Vor drei Wochen zeigte die Sonde, die im Rahmen der Gewerbeerschließung auf der Suche nach Bombenblindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt wird, Metall-Teile im Boden an. Damals fanden die Männer vom Kampfmittelräumdienst einen Fallschirm und einen Unterschenkelknochen. Größere Flugzeugteile sind bisher jedoch noch nicht gefunden worden. „Es fehlen erstaunlicherweise wesentliche Flugzeugteile“, wundert sich Rippert. Entweder sei das Flugzeug schon einmal ausgeschlachtet worden, oder es sei bereits in der Luft zerissen worden.
Stattdessen stießen die Männer auf weitere Knochenteile, Teile einer Rettungsweste, Reste der Uniform und jede Menge Munition. „Das Flugzeug hat gebrannt und ist 1940 oder 1941 auf dem Gelände abgestürzt“, sagt Rippert und zeigt auf den Rand einer Patronenhülse. „Royal Laboratories, Woolwich 1938“ ist dort eingeprägt. „Alle Munitionsreste tragen Stempel von 1938 bis 1940. Und Munition wurde immer gleich verschossen.“
Mittlerweile hat das Räumkommando zwar außerdem auf ein Formblatt für Flugeinsätze gefunden. „Das war allerdings leer“, sagt Rippert. Die Aufräumungsarbeiten gingen nur langsam voran, da die Erde mit dem Bagger sehr vorsichtig abgetragen werden müsse.
Die Hinweise, anhand derer Pilot oder Maschine identifiziert werden könnten sind mehr als spärlich. Statt des Pennies von 1912, der in dem Portemonnaie des unglücklichen Piloten gefunden wurde, wäre Jock Smith „eine Erkennungsmarke lieber.“ Viel Hoffnungen macht sich der Verbindungsoffizier der britischen Streitkräfte allerdings nicht. „Die Marken waren ja aus Aluminium und sind bei dem Brand bestimmt geschmolzen.“ Er setzt deshalb auf einen stark deformierten Helm, über den die Identifizierung eventuell möglich ist. Zusammen mit den anderen Spuren wird er bei der britischen Luftwaffe untersucht. „Ich hoffe sehr, daß wir herausfinden, wer der Pilot war. Wir würden dann die Angehörigen verständigen. Damit er eine würdige Bestattung erhält.“ Die Angehörigen könnten entscheiden, ob die sterblichen Überreste nach England überführt werden sollen, oder ob der Soldat in Deutschland beerdigt wird.
„Aber wer weiß“, sagt Smith und läßt seinen Blick über die Grabstätte gleiten. „Vielleicht finden wir nie raus, wer er war.“ kes
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