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Izetbegović soll nur acht Monate Präsident sein

■ Das UNHCR kritisiert den Bonner Beschluß zur Abschiebung von Flüchtlingen

Sarajevo/Genf (AP/rtr) – Noch vor der ersten Sitzung des bosnischen Staatspräsidiums hat sich der Riß zwischen Muslimen und Serben weiter vertieft. Der serbische Vertreter in dem Gremium, Momčilo Krajišnik, forderte das neugewählte Staatsoberhaupt Alija Izetbegović auf, seine zweijährige Amtszeit als Vorsitzender des Gremiums unter allen drei Mitgliedern des Staatspräsidiums aufzuteilen. Dissens gibt es auch darüber, wo die erste Sitzung des Präsidiums überhaupt stattfinden soll. Krajišnik fordert, daß die Sitzung in einem Gebäude auf der Grenze zwischen der muslimisch-kroatischen Föderation und dem serbischen Sektor am Rande Sarajevos stattfindet. Izetbegović besteht auf dem Tagungsort Sarajevo.

In einem anderen Punkt zeigte Krajišnik Einsehen. Er erklärte, die bosnischen Serben hätten den Kampf um einen Anschluß an Serbien aufgegeben. Der Wunsch nach einer Loslösung von Bosnien bestehe zwar nach wie vor. „Aber wenn wir nicht realistisch sind, haben wir keine Zukunft“, fügte Krajišnik hinzu.

In der bosnisch-serbischen Stadt Banja Luka zeigten die Wahlen Auswirkungen anderer Art. Bürgermeister Predrag Radić, der der Opposition angehört, wurde gestern von der Stadtverwaltung gestürzt. Das geschah auf Antrag der Serbischen Demokratischen Partei (SDS), die die Mehrheit der Sitze innehat.

Neue Impulse soll der Friedensprozeß durch ein Gipfeltreffen der Präsidenten von Bosnien und Serbien erhalten. Alija Izetbegović und Slobodan Milošević werden am 3. Oktober in Paris zusammenkommen, wie das französische Außenministerium mitteilte. Die Idee des Treffens war entstanden, nachdem die Wahlen erneut die Trennlinie zwischen der muslimisch-kroatischen Föderation und den bosnischen Serben gezeigt hatten.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR bedauerte gestern den Beschluß der deutschen Innenministerkonferenz, die in Deutschland lebenden bosnischen Flüchtlinge ab 1. Oktober abzuschieben. „Die Bedingungen in Bosnien erlauben derzeit keine zwangsweise Rückkehr“, sagte UNHCR-Sprecherin Christiane Berthiaume in Genf. In den Bundesländern zeichnet sich indes ein völlig unterschiedliches Vorgehen ab. Berlin, Hamburg, Bayern und Baden-Württemberg wollen ab 1. Oktober mit der Abschiebung beginnen. Andere Länder wollen damit noch warten. Berichte Seiten 4 und 33, Kommentar Seite 10

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