Italiens restriktive Migrationspolitik: Nichtmal Italiener dürfen anlegen
Italiens Innenminister Salvini versucht weiterhin Häfen für Schiffe mit Flüchtlingen geschlossen zu halten. Jetzt trifft es die eigene Küstenwache.
Berlin taz | Hatten wir das nicht schon? Ein Schiff rettet im Mittelmeer, zwischen Libyen und Sizilien, Dutzende Flüchtlinge, doch für die ist die Odyssee damit keineswegs vorbei, dank Italiens Innenminister Matteo Salvini. Er fährt seit Juni 2018, unter dem einprägsamen Titel „geschlossene Häfen“, seinen eigenen migrationspolitischen Kurs.
In diesen Tagen trifft es die „Gregoretti“, die in der Nacht von Donnerstag auf Freitag 134 Menschen aus Seenot rettete, auf Bitten Maltas, dessen Einheiten in anderen Rettungsaktionen gebunden waren. Allerdings ist die Gregoretti mitnichten ein NGO-Schiff auf privater humanitärer Mission, allerdings hat auf ihr keine „deutsche Zecke“, keine „verwöhnte reiche Kommunistin“ – so Salvini über die deutsche Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete – das Kommando, auch wenn auf der Flanke des Schiffs in großen Lettern „Rescue Zone“ (Rettungszone) geschrieben steht.
Weiter vorn, am Bug, ist anderes zu lesen: „Guardia costiera“, Küstenwache. Salvini erlaubt sich den Spaß, einem Schiff des italienischen Staates die Anlandung seiner Passagiere in einem italienischen Hafen zu verweigern. Das tat er schon im Sommer 2018, als die Diciotti – ebenfalls ein Schiff der Küstenwache – 190 Menschen gerettet hatte. Vier Tage brauchte es, bis der Minister die Einfahrt in einen Hafen genehmigte. Zugleich verweigerte er den Landgang – noch einmal sechs Tage mussten die Menschen an Bord ausharren.
Italiens Justiz hätte Salvini gern den Prozess gemacht, wegen Freiheitsberaubung. Doch die Koalitionsmehrheit aus Lega und Fünf Sternen verweigerte im Parlament die Eröffnung des Verfahrens, der Anti-Migrations-Minister durfte sich ermutigt fühlen. Gewiss, im Falle der Gregoretti kann er kaum argumentieren wie bei der Sea-Watch, dem unter niederländischer Flagge fahrenden Schiff einer deutschen NGO, dem er riet, es solle die Geretteten nach Amsterdam oder Hamburg schippern.
Umso deutlicher aber wird seine Botschaft: Italien will überhaupt keine Migranten mehr. So sähe die von Salvini konzipierte „europäische Lösung“ aus: Die Geretteten dürfen erst an Land, „wenn von Europa die konkrete Verpflichtung kommt, alle Immigranten aufzunehmen“, wie er auf Facebook präzisierte. Der Gregoretti hat er erlaubt, im Hafen des sizilianischen Augusta anzulegen. Doch die Migranten müssen an Bord ausharren. Auch so lässt sich sagen, dass in Salvinis Augen, wenn es um Flüchtlinge geht, Italien nicht mehr zu „Europa“ gehört.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren