Italiens neue Regierung: Hier bisschen rechts, da bisschen links
Die neue Regierung aus Fünf Sternen und Lega startet kunterbunt. Ob sie es allen recht macht oder alle ärgert, ist noch nicht ausgemacht.
Für den neuen Regierungschef Giuseppe Conte, der sich mit seiner gesamten Ministerriege zur Parade auf der Ehrentribüne eingefunden hatte, ergab sich so eine erste Gelegenheit zum Bad in der Menge. „Jagt sie alle weg!“, riefen ihm Anhänger zu – und meinten die Politiker der „alten“ Parteien. Conte reagierte mit Tönen, die auf Entspannung zielten, und erklärte, der Tag der Republik sei „das Fest aller Italiener“. Doch er steht jetzt vor der Aufgabe, nicht bloß das Volk, sondern auch sein Kabinett zusammenzuhalten.
In der Regierungsriege sind vorneweg Luigi Di Maio, Chef der Fünf Sterne, und Matteo Salvini, Vorsitzender der Lega, als Vizepremiers vertreten. Di Maio übernahm die zu einem Superministerium zusammengelegten Ressorts Arbeit und Wirtschaft, während Salvini Innenminister wurde. Zentral für die Wahrnehmung der italienischen Regierung im Ausland dürften zudem das Finanz- und das Außenministerium werden. An der von der Lega und dem Movimento 5 Stelle verlangten Berufung des Ökonomen Paolo Savona zum Finanzminister war vor einer Woche die Regierungsbildung zunächst gescheitert, da Staatspräsident Sergio Mattarella sein Veto eingelegt hatte. Am Freitag dann, nachdem er seine Versuche zur Bildung einer völlig anderen Regierung wieder aufgegeben hatte, überreichte Mattarella dem Ökonomieprofessor Giovanni Tria die Ernennungsurkunde als Finanzminister. Tria ließ seinerseits umgehend verlauten, in Italien wünsche „keine politische Kraft den Austritt aus dem Euro“.
Als beruhigendes Signal nach außen darf wohl auch die Berufung Enzo Moavero Milanesis als Außenminister gelten. Der parteilose Technokrat, früher EU-Beamter, dann 2011 bis 2014 Europaminister in den Kabinetten Monti und Letta, gilt als glühender Europäer. Allerdings wird der Euro-kritische Savona nun als neuer Europaminister neben ihm am Kabinettstisch sitzen; Konfliktstoff über Italiens Kurs in der EU scheint damit vorprogrammiert.
Die Regierung selbst ist erst mal zufrieden
Während am Samstag einige tausend Fünf-Sterne-Anhänger auf einer Kundgebung in Rom ihre neue Regierung feierten, während Luigi Di Maio dort erklärte, „der Staat sind jetzt wir“, legten die Minister der Lega gleich mit Stellungnahmen los, die darauf zielten, ihre stramm rechte Wählerschaft zu erfreuen. Innenminister Salvini gab den Scharfmacher gegen Migranten und Roma. Er will die Mittel für die Unterbringung von Flüchtlingen drastisch zusammenstreichen und die Arbeit der im Mittelmeer tätigen NGOs, die er als „Vizeschmuggler“ schmähte, blockieren. Zudem kündigte er an, Roma-Lager im Land zu schließen.
Auch der neue Familienminister Lorenzo Fontana positionierte sich umgehend am rechten Rand. Er ließ verlauten, dass „vor dem Gesetz keine Regenbogenfamilien existieren“, auch wenn Italien im Jahr 2016 eingetragene Lebenspartnerschaften eingeführt hat. Aus den Reihen der Fünf Sterne erhielt Fontana umgehend die Antwort, an diesem Gesetz sei mit ihnen nicht zu rütteln, und auch Fontanas Parteichef Salvini ging mit dem Hinweis auf Distanz, die Frage sei nicht Gegenstand des Koalitionsvertrags und auch „nicht unter den Prioritäten“.
Mit eher „linken“ Ankündigungen fiel Fünf-Sterne-Chef Di Maio auf. Er versprach, er wolle prekäre Arbeitsverhältnisse zurückdrängen. Doch dieser Punkt ist im Koalitionsvertrag bloß als allgemeine Absichtserklärung enthalten und dürfte auf Widerstände der unternehmerfreundlichen Lega stoßen. Reibungsloser dürfte dagegen die ebenfalls von Di Maio in Aussicht gestellte Revision der Rentenreform von 2011 werden, die vielen Arbeitnehmern einen früheren Renteneintritt ermöglichen soll.
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