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Italiens Zeitlupenkrise

Bricht nun die Regierungskoalition oder nicht? Mit allen Tricks spielt Ministerpräsident Romano Prodi auf Zeit  ■ Aus Rom Werner Raith

Italienkorrespondenten raufen sich derzeit die Haare: Tag für Tag kündigen das Kabinett und die Fraktionen der linksliberalen Koalition die „entscheidende Sitzung“ an, in der über die Aufkündigung der Regierungsallianz entschieden wird – aber bereits siebenmal wurde der Entscheid verschoben, ein Ende ist nicht in Sicht.

Formeller Anlaß des Streits im „Olivenbaum“-Bündnis aus Linksdemokraten, Volkspartei, Grünen und Linkssozialisten bei externer Unterstützung durch die Neokommunisten (Rifondazione comunista) ist das Haushaltsfinanzierungsgesetz 1998. Die Neokommunisten vermissen konkrete Schritte zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zum Schutz der Renten- und Pensionsberechtigungen, sehen ein starkes Defizit im Gesundheitswesen und wollen daher nicht zustimmen.

Regierungschef Romano Prodi, seit den Wahlen im April 1996 im Amt, hat sich zwar im Laufe einer Palamentsdebatte am Dienstag zu einigen Zugeständnissen bereit erklärt. Die sind aber nach Ansicht der Neokommunisten zu vage und zu wenig einschneidend. Am Ende der Debatte erklärte Rifondazione-Chef Fausto Bertinotti, man bleibe beim Nein – wobei er geschickt auflistete, wo man in den letzten fünfzehn Monaten nachgegeben habe, vom Albanieneinsatz Italiens bis zum Schulwesen, von der Sondersteuer zum Erreichen der Maastrichtkriterien bis zur Privatisierung staatlicher Betriebe – „und dies alles, weil uns die Regierung dafür großes Entgegenkommen im Haushaltsgesetz versprochen hatte. Doch nichts davon ist realisiert worden.“

An sich hätte Prodi sich nach diesem Vertrauensentzug sofort zum Staatspräsidenten begeben und seinen Rücktritt anbieten müssen, und das hatten die Oppositionsparteien – Forza Italia, Nationale Allianz, Christdemokraten, Radikale und Liga Nord – auch ausdrücklich gefordert. Doch schlitzohrig ließ Prodi die Rechte wieder einmal in eine Falle laufen: als der Radikalen-Abgeordnete Vittorio Sgarbi die Abstimmung über die Regierungserklärung forderte, nutzte die Regierung die Geschäftsordnung, wonach in einem solchen Fall auch der Senat zu hören ist, und so konnte Prodi gestern zuerst eine Rede vor der zweiten Kammer halten, ehe er sich zum Staatspräsidenten begab. Der wiederum verweigert natürlich den Rücktritt mit der Begründung, es habe ja noch gar keine Abstimmung gegeben, und schickt Prodi ins Parlament zurück – bis zum heutigen Donnerstag also ist wieder weitere Zeit gewonnen, die Neokommunisten doch noch herumzukriegen. Denn Prodi weiß, daß auch bei den Neokommunisten nicht alle auf der Linie von Neinsager Bertinotti sind. Rifondazione-Präsident Armando Cossutta, ein Altstalinist und daher mehr an der Macht interessiert als an der reinen Lehre, möchte der Regierung entgegenkommen.

Nicht minder verwirrend als die Regierung verhält sich freilich auch die Opposition. Auf der einen Seite betont Forza-Italia-Chef Silvio Berlusconi, daß es „keinerlei offene oder verdeckte Hilfe für diese Regierung geben werde“, auf der anderen Seite kündigt er an, er sei durchaus bereit, in eine „Regierung auf Zeit“ einzusteigen, um das Haushaltsgesetz und den Beitritt Italiens zur Währungsunion nicht zu gefährden.

Die meisten Auslandskorrespondenten haben sich inzwischen darauf eingerichtet, daß möglicherweise auch heute noch nicht das letzte Wort gesprochen wird. Interessant wird die Lage gleichwohl: die Oppositionsparteien haben ihren Auszug aus dem Parlament angekündigt, falls Prodi bis dahin nicht seinen Rücktritt erklärt hat.

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