Italiens Innenminister rät Flüchtlingen: "In Libyen Asyl verlangen"
Am Sonntagabend hat Italien erneut 240 Flüchtlinge auf hoher See aufgegriffen und umgehend nach Libyen geschafft. UN und Vatikan kritisieren Italiens Vorgehen heftig.
ROM taz Italien verschärft seine Gangart gegen die aus Libyen kommenden Bootsflüchtlinge weiter. Am Sonntagabend wurden erneut 240 Bootsflüchtlinge nach Libyen zurückgeschickt. Die Flüchtlinge waren in internationalen Gewässern zwischen Malta und Italien aufgegriffen worden. Die italienische Küstenwache brachte sie direkt nach Libyen zurück. Seit Mittwoch vergangener Woche wurden damit insgesamt mehr als 500 Flüchtlinge nicht mehr auf die italienische Insel Lampedusa gebracht, sondern umgehend nach Libyen zurückgeschickt.
Italiens Innenminister Roberto Maroni sprach von einem "Triumph", von einem "historischen Ereignis": Nunmehr sei das Ziel, die Überfahrten von Libyen nach Italien ganz zu stoppen, in unmittelbare Reichweite gerückt. Italien ernte damit die Früchte des im August 2008 zwischen Silvio Berlusconi und Muammar al-Gaddafi geschlossenen Freundschaftsvertrages, in dem sich Italien zur Zahlung von 5 Milliarden Dollar im Lauf der nächsten 20 Jahre und sich Libyen zu umfassender Kooperation bei der Flüchtlingsabwehr verpflichtet hatte. Im nächsten Schritt sollen vom 15. Mai an auch auf vier Schiffen gemeinsame libysch-italienische Patrouillen in See stechen.
Keinerlei Probleme sieht Maroni bei der Frage, ob mit den neuen Maßnahmen die Menschenrechte beachtet werden. Wer es nach Italien schaffe, könne auch weiterhin Asyl beantragen, so der Innenminister, die anderen sollten halt "in Libyen Asyl verlangen". Eine zynische Position: In den Abschiebelagern in Libyen, in denen die Menschen ohne jede zeitliche Befristung inhaftiert werden können, herrschen unmenschliche Haftbedingungen. Aktenkundig ist sogar die Aussetzung von Flüchtlingen in der Wüste.
Dennoch darf sich Maroni von der fremdenfeindlichen Lega Nord des Beifalls der gesamten Rechtskoalition sicher sein. Regierungschef Berlusconi sprang dem Innenminister mit den Worten bei, Italien dürfe schließlich "kein multiethnisches Land" werden. Während der Vatikan und Antonio Guterres, Hoher Flüchtlingskommissar der UNO, die in ihren Augen menschenrechtswidrige neuen Flüchtlingspolitik heftig kritisierten, steht eine Stellungnahme des zuständigen EU-Kommissars Jacques Barrot noch aus. Gewiss aber steht Italiens Vorgehen nicht in Einklang mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Februar 2009. Jenes Urteil hielt fest, dass Flüchtlinge auch dann ein Bleiberecht genießen, wenn sie ihre individuelle Verfolgung nicht nachweisen können, in ihrem Herkunftsland aber Willkür und Gewalt herrschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr