piwik no script img

Italien überwindet den Block

Bei der Volleyball-WM der Frauen lässt US-Coach Toshiaki Yoshida sein Team nach dem Motto Verteidigung ist der beste Angriff spielen. Lediglich im Finale gegen Italien reicht das nicht zum Sieg

„Das Spiel der Frauen ist körperbetonter und kraftvoller geworden“

aus Berlin FRANK KETTERER

Nach allem, was man in diesen WM-Tagen gesehen und gehört hat, muss es Unangenehmeres geben, als in einer Mannschaft Volleyball zu spielen, die von Toshiaki Yoshida angeleitet wird. Der Mann ist ein leiser Vertreter seiner Zunft – und am besten hat man das bereits beim Halbfinale am Freitagnachmittag in der Berliner Max-Schmeling-Halle beobachten können, als Yoshida auf der anderen Seite des Netzes ausgerechnet Nikolai Karpol gegenüberstand, dem Trainer der Russinnen. Karpol ist ein grober Klotz, ein Polterer, einer der am Spielfeldrand bisweilen faucht und tobt – und wenn man das dann so sieht, zum Beispiel wie er in den Auszeiten auf seine Spielerinnen einbrüllt, so heftig, dass man es bis in den letzten Winkel der Halle hören kann, dann lernt man die ruhige Art Yoshidas noch mehr zu schätzen, und die russischen Spielerinnen tun einem nur noch Leid.

Yoshida brüllt nie, jedenfalls nicht öffentlich. Er steht einfach nur da am Spielfeldrand, ein eher schmächtiger und nicht sonderlicher großer Mann, und beobachtet, was seine Spielerinnen auf dem Feld so zuwege bringen. Und wenn er dazu etwas zu sagen hat, dann tut er es mit unaufgeregten Gesten und in ruhigem Ton, auch wenn mal ein paar Fehler passieren. Außerdem, das hat der nette Herr Yoshida erst erzählt, als sein Team, die Frauen-Volleyball-Nationalmannschaft der USA, das Finale dieser WM in Deutschland gegen Italien erreicht hatte, das es gestern Nachmittag mit 2:3 (25:18, 18:25, 16:25, 25:22, 11:15) verlor, kann er ein Geheimnis für sich behalten, zum Beispiel wenn eine seiner Spielerinnen schwanger ist, so wie das bei Robyn Ah Mow der Fall war. Yoshida hatte vom Glück seiner Zuspielerin als Erster und Einziger im Team erfahren – und er hat es nicht ausgeplaudert, obwohl es für ihn ein Unglück bedeutete, weil Frau Mow auf dieser wichtigen Position eine der Weltbesten ist und somit eigentlich unersetzlich. Bis Juni und somit bis weit in den vierten Monat hinein, durfte die werdende Mutter dennoch Bälle stellen für ihr Land – erst als der Trainer das aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verantworten konnte, enthob er Mow ihres Amtes. „Plötzlich stand ich ohne Zuspielerin da“, erinnert sich Yoshida zurück, so knapp vor einer WM kam das einer Katastrophe gleich – eigentlich. Doch Toshiaki Yoshida hat auch diese Situation gemeistert mit seiner Ruhe und Gelassenheit; dass die USA gestern ohne eine ihrer Besten das Finale verloren, ändert nichts an dieser Tatsache.

Wenn man Yoshida vor Beginn dieser WM auf das Finale ansprach, hat er nur laut aufgelacht, so richtig an das Erreichen geglaubt hat er wohl nicht; wie auch, so ganz ohne Frau Mow. Doch der Mann aus Japan hat aus der plötzlichen Not eine Tugend gemacht – und er ist dabei ein bisschen nach dem Motto Verteidigung ist der beste Angriff vorgegangen. Bei der WM überzeugte seine Mannschaft vor allem durch ihre Blockarbeit, die, ohnehin eine Stärke der USA, im wahrsten Sinne des Wortes eine überragende war. Das hatte für die Amerikanerinnen den Vorteil, dass der Ball nicht allzu oft über die Netzkante hin- und hergespielt werden musste, sondern von den jeweilige Gegnerinnen meist schon früh gegen die Hände von Danielle Scott, der überragenden Mittelblockerin dieses Turniers, und ihrer Kolleginnen gehämmert wurde – und von dieser Mauer dann zu Boden prallte – meist als Punkt für die USA. „Der Block“, fasst Yoshida Dinge wie diese zusammen, „ist unsere Stärke.“ Von der Konkurrenz bekommt er das durchaus bestätigt. „Der Block war die Ursache für unsere Niederlage“, brummte Nikolai Karpol schon nach der 2:3-Niederlage der Russinnen im Halbfinale. Und auch Marco Bonitta, Trainer Italiens, das erstmals Weltmeister wurde, stellte trotz der Überwindung der „amerikanischen Mauer“ fest: „Ein solch variabler Block ist ein Modell für die Zukunft.“

Dass dieses dem Frauen-Volleyball zu einem Plus an Attraktivität verhelfen könnte, scheint allerdings eher unwahrscheinlich. Die Blockbildung à la USA nimmt dem Spiel nämlich mehr an Reiz, als es ihm gibt, schon weil längere Ballwechsel und akrobatische Momente in der Feldabwehr, die bei den Frauen, im Gegensatz zu den Männern, stets für Spannung und Prickel sorgten, kaum mehr vorkommen – auch sie bleiben quasi im Block schon hängen. Unterstützt wird diese Tendenz auch durch die zunehmende Athletik im Spiel der Frauen – und das Plus an Körpergröße, gerade bei den weltbesten Teams. „Das Spiel ist körperbetonter und kraftvoller geworden“, hat auch Toshiaki Yoshida festgestellt, und die Feldabwehr steht gegen die zunehmend wuchtigen Schläge der knapp unter und auch über zwei Meter großen Spielerinnen meist auf verlorenem Posten. Oder, anders gesagt: Die Frauen spielen immer öfter das knallharte Bumbum-Volleyball der Männer. Mancher mag das bedauern. Andere wiederum setzen einfach einen Block dagegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen