: Italien hat Folterer einfach freigelassen
Der libysche General Almasri wird wegen Folter gesucht. Italien hat ihn dennoch freigelassen
Aus Rom Michael Braun
Mord, Folter, Vergewaltigung. Wegen dieser Verbrechen könnte Osama Almasri jetzt in Den Haag in Haft auf seinen Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) warten. Denn am 19. Januar war der libysche General, unter dessen Befehlsgewalt die Gefängnisse von Tripolis standen, in Italien der Polizei ins Netz gegangen. Doch Almasri ist auf freiem Fuß – weil Italiens Behörden ihn einfach laufen ließen. Bisher hatte sich Carlo Nordio, Justizminister der Rechtsregierung Giorgia Melonis, damit herausgeredet, dass die Justiz des Landes den Fall verbockt habe. Sie habe sich Verfahrensfehler zu Schulden kommen lassen, ein Gericht habe schließlich die Freilassung des Libyers erwirkt, und der Regierung sei angesichts der Gefährlichkeit Almasris nichts anderes übriggeblieben, als ihn so schnell wie möglich aus Italien zu schaffen.
Das Hauptversäumnis der Justiz sei es gewesen, so der Minister, dass sein Haus nicht eingeschaltet worden sei. Die Dokumente zu dem Falle hätten, so Nordio weiter, sein Ministerium zu spät erreicht. Dokumente, die am Wochenende vom Justizministerium durchgesickert sind, belegen jedoch, dass Nordio nicht die Wahrheit gesagt hat. Almasri kam am Samstag, dem 18. Januar, nach Turin. In der folgenden Nacht nahm die Polizei ihn fest. Dafür hätte es in der Tat der Autorisierung durch die Regierung bedurft, die noch nicht vorlag. Doch wenn der Justizminister es gewollt hätte, hätte er die Situation binnen Stunden klären können.
Denn an seiner Darstellung, sein Haus sei an dem Sonntag nicht informiert worden, stimmt nichts. Seine Kabinettschefin schrieb an jenem Tag einem führenden Ministerialbeamten per Mail, sie sei „informiert“. Mehr noch: Sie forderte jenen Beamten auf, fortan nicht mehr per Mail, sondern über die verschlüsselte App Signal zu kommunizieren.
Wenn dahinter der Plan stand, den internationalen Haftbefehl zu sabotieren, dann ging er auf. Am Montag hatte ein römisches Gericht die Freilassung Almasris verfügen müssen, da Italiens Regierung ihr Plazet zur Verhaftung nicht gegeben hatte. Kaum war der Folterer draußen, wurde er von einem Flieger des Geheimdienstes nach Tripolis gebracht. Jene Dokumente, die Nordio zu spät erreicht hätten, hatten nach heutigem Stand schon am Sonntag dem Ministerium vorgelegen.
Das für Regierungsmitglieder zuständige Ministertribunal prüft jetzt die Eröffnung eines Verfahrens gegen Nordio und Regierungschefin Meloni wegen Begünstigung des international gesuchten Folterers. Das mutmaßliche Motiv: Libyen ist für die Regierung Meloni ein zentraler Partner bei der Abwehr des Zustroms von Migrant*innen übers Mittelmeer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen