■ Italien: Finanzmann Dini mit Regierungsbildung beauftragt: Verschleißen im Spagat
Rosig sind sie nicht, die Perspektiven für Italiens „Neuen“. Nicht nur weil er ausdrücklich vom bisherigen Regierungschef Berlusconi ausgeguckt worden ist (als ewig griesgrämiges Gegenstück zum ewig lächelnden Medienzaren) und an dessen Tropf hängt. Sondern auch weil die Probleme, denen er sich stellen muß, schlichtweg unlösbar sind.
Für die Rentenreform ist, trotz gegenseitigen Versprechens von Regierung und Gewerkschaften, sich bis Jahresmitte zu einigen, nicht die geringste Chance einverständlichen Ausgleichs in Sicht; die Arbeitslosigkeit sinkt trotz konjunktureller Erholung aus strukturellen Gründen weiter ab und ist, bei leeren Staatskassen, auch nicht durch fiskalische Fördermaßnahmen zu beseitigen; die Medienreform und die Anti- Trust-Gesetze haben einen vom Verfassungsgericht jüngst vorgegebenen Gesamtrahmen, der aber Dinis Drahtzieher Berlusoni nicht nur nicht paßt, sondern tatsächlich dessen Überleben als Unternehmer in Frage stellen würde (mit einem De-facto-Verlust von gut 20.000 Arbeitsplätzen) – wie soll da einer durchkommen? Sein Spagat wird nicht geringer sein als der Berlusconis zwischen den nationalistischen Neofaschisten und den separatistischen Ligen des Nordens.
Tatsächlich brauchte er, wollte er das Problem wirklich angehen, nicht nur einen langfristig kreditwürdigen Konsens in der Bevölkerung – den er nicht hat –, sondern auch einen zeitlichen Rahmen von vier bis fünf Jahren. Genau den aber bekommt er auf keinen Fall – nicht nur seitens Berlusconis und der Nationalen Allianz, auf deren Stimmen er angewiesen ist, die aber ihrerseits ihre Felle immer schneller davonschwimmen sehen, je länger sie von den direkten Machthebeln entfernt bleiben: Auch die bisherige Opposition, Linksdemokraten ebenso wie die Ex- Christdemokraten der Italienischen Volkspartei und die aus der Regierung geschiedenen Ligen, warten ja lediglich darauf, daß sich der „Effekt Berlusconi“ endgültig gelegt hat. Dann werden sie den ehemaligen Notenbankdirektor ebenso schnell zur Aufgabe zwingen, wie sie das (im Gefühl des vermeintlichen Sieges Ende 1993) mit dessen Kollegen Carlo Azeglio Ciampi, auch er einst Notenbanker, getan haben.
Und die Alternative, daß es Dini allen Erwartungen zum Trotz doch gelingen könnte, die gestellten Aufgaben zu lösen? Auf eine solche Aussicht hat der bisherige Pressesprecher der Regierung Berlusconi, Giuliano Ferrara, mit einem geradezu entwaffnenden Ausbruch reagiert: „Sie stellen aber absurde Fragen!“ Will heißen: Wir haben ihn beauftragt und tun auch so, als wünschten wir seinen Erfolg. Doch der Himmel behüte uns vor genau dieser Gefahr. Werner Raith
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