Israels Opposition meutert: Zoff um Jerusalem

Vor dem Nahost-Gipfel in den USA bringt die Opposition in Israel einen Gesetzentwurf ein, mit dem Kompromisse über die Zukunft der Stadt verhindert werden sollen.

In letzter Zeit überraschend offen für Zugeständnisse: Israels Premier Olmert. Bild: rts

JERUSALEM taz Im Vorfeld des Nahost-Gipfels von Annapolis versucht die Opposition in Jerusalem, der Regierung zu erschweren, Zugeständnisse an die Palästinenser zu machen. Ein jetzt vom Likud eingebrachter Gesetzentwurf würde für territoriale Kompromisse in der Stadt eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten zwingend machen. Bisher reichte die absolute Mehrheit von 61 Stimmen.

Achmad Kurei, ehemaliger palästinensischer Premierminister und Chefunterhändler, warnte die Israelis: "Sie brauchen sich keine Illusionen zu machen", meinte er gegenüber Yediot Achronot, "ohne eine Lösung für Jerusalem wird es keinen Friedensvertrag geben." Die Lösung, die der PLO vorschwebt, ist der vollständige Abzug aus dem 1967 besetzten Gebiet. Dazu gehört die Altstadt von Jerusalem und der Ölberg, der Campus der Hebräischen Universität sowie zahlreiche jüdische Siedlungen rund um die Stadt.

Israels Premierminister Ehud Olmert zeigte sich jüngst überraschend offen für Zugeständnisse. Im Verlauf einer Knesset-Ansprache anlässlich des Todestages von Rechavam Seewi, dem vor sechs Jahren ermordeten rechtsnationalen Tourismusminister, lobte Olmert das Werk seines Freundes, fragte dann indes kritisch, ob "es wirklich notwendig war, das (palästinensische) Flüchtlingslager Schuafat, Arab A-Sawaharah und weitere Dörfer Jerusalem anzugliedern". Seewi gehörte nach dem Krieg 1967 zu den politischen Städteplanern Jerusalems, die schließlich über eine Verzehnfachung des Einzugsgebiets entschieden.

Olmerts Rede mag die Palästinenser aufhorchen lassen, denn der ehemalige Likud-Politiker schlägt damit eine völlig neue Richtung ein. "Peres teilt Jerusalem", so lautete die Kampagne des konservativen Lagers noch 1996, als Schimon Peres, heutiger Staatspräsident, erneut für das Amt des Regierungschefs kandidierte. Die "ewig ungeteilte Hauptstadt Israels", wie Likud-Spitzenpolitiker bei jeder Gelegenheit betonen, war bis zu den Friedensverhandlungen 2000 in Camp David kein Thema. Damals schlug Expremierminister Ehud Barak ohne jede Absprache mit dem Kabinett oder der Knesset die Rückgabe der arabischen Viertel Jerusalems an die Palästinenser vor. Mit dem ergebnislosen Abbruch der Verhandlungen war auch die Jerusalem-Frage wieder vom Tisch.

Vize-Premierminister Chaim Ramon (Kadima) brachte als Erster das Thema wieder auf die Agenda, als er im Verlauf einer Kabinettssitzung künftige Zugeständnisse in Jerusalem ansprach. Die Mehrheit der Minister, so erklärte er gegenüber der "Stimme Israels", würde seinen Vorschlag unterstützen. "Wäre es denn keine gute Lösung, wenn die Palästinenser, die arabische Welt und die internationale Gemeinschaft die Annektierung der (von jüdischen Siedlern bewohnten) Viertel Pisgat Zeew und Newe Jaakow anerkennen würden", fragt er rhetorisch, "und wir wären im Gegenzug die arabischen Viertel los?"

Ramon lehnt seine Vorstellungen über die Zukunft Jerusalems an die Vorschläge des früheren US-Präsidenten Bill Clinton an, der zufolge "alle arabischen Viertel von den Palästinensern kontrolliert" werden sollten und "alle jüdischen von Israel". Innerhalb der Koalition und in den Reihen der Kadima stößt der Vorschlag Ramons keinesfalls nur auf Zustimmung. Anders als sein Parteifreund glaubt Transportminister Schaul Mofas, dass eine Teilung Jerusalems "niemals von der Regierung befürwortet" werden würde. Schon drohte der religiöse Koalitionspartner Schass, bei den kleinsten territorialen Zugeständnissen umgehend die Koalition zu verlassen.

Einen geeigneteren Zündstoff zur Sprengung des Regierungsbündnisses hätte sich Oppositionschef Benjamin Netanjahu kaum ausdenken können. Schass und der rechtsnationale Avigdor Liebermann sollen "endlich aufhören, die Köpfe in den Sand zu stecken", tönt es aus dem Likud. "Religionsfreiheit der drei monotheistischen Religionen in Jerusalem kann nur unter israelischer Herrschaft fortgesetzt werden", sagt er und warnt vor territorialen Zugeständnissen, die doch nur wieder "zu neuer Gewalt" führen würden.

Immerhin sechs Minister unterstützten den Gesetzentwurf, dem Knesset-Beobachter letztendlich keine großen Chancen einräumen, wenn er zur Abstimmung vorgelegt wird. Jossi Beilin, Chef des linken Parteienbündnisses Meretz, vermutet, dass der Entwurf auf Verunsicherung beim Likud schließen lässt, wo man verstanden habe, dass man in der Minderheit ist. In der israelischen Bevölkerung, so zeigt eine von der Universität Tel Aviv vorgenommene Studie, überwiegen mit 59 Prozent der Befragten vorläufig noch die Gegner einer Teilung Jerusalems.

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