Israels Attacke auf Hilfskonvoi: Angriff völkerrechtlich umstritten
Im Krieg ist die Blockade gegnerischer Häfen ein zulässiges Mittel. Unklar ist aber, ob es einen klassischer Krieg zwischen Gaza und Israel gibt und ob die Abriegelung völkerrechtswidrig ist.
FREIBURG taz | Die Rechtmäßigkeit des israelischen Angriffs auf den Hilfskonvoi ist umstritten. Sie hängt vor allem davon ab, wie man die israelische Blockade des Gazastreifens beurteilt. Wenn die Blockade rechtmäßig ist, dann darf Israel sie auch gegen sogenannte Blockadebrecher verteidigen.
Israel hat den Gazastreifen 1967 besetzt. Seit 1994 gibt es eine begrenzte palästinensische Selbstverwaltung in den "Autonomiegebieten", zu denen auch Gaza gehört. 2005 zogen sich israelische Soldaten und Siedler aus Gaza zurück.
Nach Kämpfen mit der palästinensischen Fatah-Bewegung übernahm 2007 die islamistische Hamas die Kontrolle im Gazastreifen. Seitdem hat Israel den Zugang zum Gazastreifen abgeriegelt.
Israel begründet die Abriegelung damit, dass vom Gazastreifen aus regelmäßig Raketen auf Israel abgeschossen werden. Ab Ende Dezember 2008 führte Israel deshalb im sogenannten Gaza-Krieg sogar mehrtägige Angriffe auf Gaza durch, die hunderte Menschenleben kosteten. Auch heute begründet Israel die Abriegelung von Gaza immer noch mit dem Krieg gegen den Terror. Zur Abriegelung gehört auch eine Seeblockade des Gazastreifens.
Im Krieg ist die Blockade gegnerischer Häfen ein zulässiges Mittel. Angesichts des unklaren rechtlichen Status von Gaza kann zwischen Israel und Gaza zwar kein klassischer Krieg stattfinden, eine analoge Anwendung des Kriegsrechts ist aber zumindest denkbar.
Viele Völkerrechtler halten die Abriegelung aber schon aus humanitären Gründen für völkerrechtswidrig. Israel dürfe der Bevölkerung von Gaza nicht die Lebensmittel- und Energieversorgung sowie die Arbeitsmöglichkeiten abschneiden. Dies verstoße gegen die Pflichten einer Besatzungsmacht (soweit man noch von einer Besatzungssituation ausgeht, was auch wieder umstritten ist), jedenfalls verstoße Israel damit gegen die Menschenrechte. Israel behauptet, dass es genügend Lebensmittel in den Gazastreifen lasse.
Wenn die Blockade nicht rechtmäßig ist, kann Israel natürlich auch keine Rechte auf hoher See daraus ableiten. Dann ist der Angriff auf die Hilfsflotte ein Verstoß gegen die UN-Seerechtskonvention.
Falls die Blockade rechtmäßig ist, darf sie auch militärisch verteidigt werden. Das besagt das sogenannte Prisenrecht (Wegnahme heißt auf Französisch "Prise"), das zum völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht gehört. Danach dürfte Israel auch in internationalen Gewässern Schiffe kontrollieren, ob sie Waren für den Gegner geladen haben. Wenn Schiffe die Blockade durchbrechen wollen, dürfen sie beschlagnahmt werden.
Bei einer konkreten Militäraktion verlangt das Völkerrecht allerdings, dass die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt wird. Ob dies der Fall war, hängt von den bislang noch umstrittenen konkreten Abläufen an Bord der "Mavi Marmara" ab.
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