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Israelische IntellektuelleAppell für Zweistaatlichkeit

Das öffentliche Bekenntnis israelischer Kulturschaffender zu einem freien Palästina erregt die Rechte. Die begleitete die Veranstaltung mit Pfiffen und Verratsvorwürfen.

Der Schriftsteller Amos Oz und seiner Frau Nily (l.) auf dem Tel Aviver Rothschild-Boulevard. Bild: dpa

JERUSALEM taz | Es sollte ein Akt der Solidarität mit den Palästinensern werden, aber es endete mit Pfeifkonzerten und Wortgefechten. Als am Donnerstagmittag 20 israelische Künstler, Intellektuelle und linke Politiker vor das Haus im Tel Aviver Rothschild Boulevard zogen, in dem der erste Regierungschef David Ben-Gurion einst die israelische Unabhängigkeitserklärung verlesen hatte, stand eine Handvoll rechter Fanatiker mit Megafonen, Trillerpfeifen und Trompeten schon bereit, um die Veranstaltung zum Fiasko werden zu lassen.

Die deutschstämmige Schauspielerin Hannah Maron war kaum zu verstehen, als sie den vereinbarten Text las: "Wir appellieren an alle, die nach Frieden und Freiheit für alle Völker streben, die Erklärung für eine palästinensische Eigenstaatlichkeit zu unterstützen und die Bürger zweier Staaten zu friedvollen Beziehungen auf der Basis der Grenzen von 1967 zu ermutigen." Vor 40 Jahren war Hannah Maron selbst Opfer eines Terroranschlags des palästinensischen "Schwarzen September" geworden. Sie verlor bei einer Bombenexplosion gegen El-Al-Passagiere in München einen Fuß.

Amos Oz und Jael Dayan als Unterzeichner

Die Veranstaltung stand im Zusammenhang mit der bevorstehenden möglichen Unabhängigkeitserklärung der Palästinenser. Im kommenden September plant der palästinensische Regierungschef Salam Fayyad, mit der Bitte um Anerkennung des Staates Palästina vor die UNO-Vollversammlung zu ziehen. Es sei "unlogisch", so erklärte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas noch am Donnerstag, "dass sich die USA den Palästinensern vor der UN in den Weg stellen". Zu den Unterzeichnern der Tel Aviver Erklärung gehören der weltberühmte israelische Schriftsteller Amos Oz sowie Jael Dayan, Tochter des legendären, einäugigen Verteidigungsministers Mosche Dayan, dazu der Historiker Jehuda Bauer, langjähriger Leiter der Holocaustgedenkstätte Jad Vaschem, und der Dramatiker Joschua Sobol. "Die Gründung Palästinas ist im Interesse Israels", mahnte Sobol. "Freiheit für die Palästinenser bedeutet Freiheit für die Israelis." Und: "Die Rechte in Israel bringt die Zerstörung über uns."

Beide Seiten beanspruchen für sich, die wahren Zionisten zu sein. "Zwei Jerusalem, ein Frieden", forderte das Schild zweier linker Demonstranten. "Schämt euch", stand auf den Spruchbändern der Rechten, die aufgeregt und laut riefen, dass "der Staat der Juden keine Verräter will". Immer wieder wandten sich die Veranstalter an die umstehenden Polizisten, die dem aufgeregten Wortgefecht und Gedränge zusahen, ohne einzugreifen.

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5 Kommentare

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  • M
    Martha

    Immerhin hat Israel SCHON große Zugeständnisse an die Palästinenser gemacht? Schon? Die 1967 besetzten Gebiete sind mehr als 40 Jahre lang besetzt. Nachts herrscht trotz "Autonomie" das israelische Militär, bricht bei den Menschen in die Häuser ein (auch völlig willkürlich), verwüstet diese und prügelt die Bewohner. Die Menschen fühlen sich terrorisiert. Die Beegungsfreiheit in den besetzen Gebieten ist durch Straßensperren stark eingeschränkt, die Wirtschaft dadurch ebenfalls, das Bildungsniveau sinkt.

    Auch die Siedlungstätigkeit geht weiter. Sowas als Zugeständnis zu bezeichnen zeugt von allerhöchster Ahnungslosigkeit.

  • P
    Paul

    Von Deutschen wurden die Juden in die Gaskammern geschickt, das ist und bleibt unsere Schuld. Das ist aber kein Grund die Augen vor dem schreienden Unrecht Israels gegenüber den Palästinensern heute zu verschließen. Beim Anblick der Veränderung der Landkarte Israel - Palästina über die Jahre dieses Konfliktes sehe ich eine fortschreitende Zerteilung des übrig gebliebenen Lebensraumes der Palästinenser, begleitet von einer immer wieder auch tödlichen Okkupation. Dazu kann Israel kein Recht aus dem Holocaust ableiten!!

  • H
    HilmarHirnschrodt

    Israel wird langfristig gesehen der Verlierer seiner eigenen engstirnigen Politik sein: Durch den agressiven Siedlungsbau wird immer mehr Land der Palestinenser von den Israelis faktisch anektiert und in letzter Konsequenz eine lebensfähige Zweistaatenlösung unmöglich gemacht. Irgendwann, vielleicht schon bald, wird Israel jedoch seine menschenverachtende Apartheitspolitik aufgeben müssen und spätestens dann werden auch die Palestinenser als gleichberechtigte Bürger Israels mit vollem Wahlrecht anerkannt werden müssen. Was das Ende der Apartheit des Jüdischen Gottesstaates namens Israel bedeuten wird. Wenn die Zeit reif ist, wird der Umbruch schneller von statten gehen, als wir uns das heute ausdenken mögen/können. In der historischen Konstruktion des Staates Israel als Staat der Juden liegt der grundsätzliche nicht zukunftsfähige Systemfehler, eine total veraltete Staatskonstruktion von Vorvorgestern ohne wirkliche Zukunft!

    Die Palestinenser leben zwar in Israel, dürfen aber bei Israelischen Wahlen nicht wählen. Was ist das denn für eine Demokratie, in der nur die wählen dürfen, die der Mehrheit genehm sind und den Jüdischen Gottesstaat Israel nicht gefährden. Entweder bekommen die Palestinenser einen eignenen Staat und wählen ihre eigene Regierung, oder sie bleiben weiter von Israel anektiert und bekommen dann aber volle Bürgerechte in Israel einschließlich Wahlrecht. Israels Apartheitspolitik untergräbt beides systematisch!

  • J
    Joseph

    Immerhin hat Israel schon große Zugeständnisse an die Palästinenser gemacht: Sie erhielten ihre Autonomiegebiete, eigene Sicherheitskräfte mit scharfen Waffen sowie bedeutende Wirtschaftshilfe. Aber der Terror gegen Israelis hat bis heute nicht aufgehört. Darum haben es viele Israelis, nicht nur Rechte, inzwischen satt, immer neue Zugeständnisse im Gegenzug für leere Versprechungen zu machen! Der Protest gegen diese Art von Verhandlungen ist schon längst in der israelischen Mitte und bei vielen gemäßigten Linken angekommen.

  • FL
    Fritz Lang

    Wo gibt es denn die Erklärung im übersetzen Original?

    Fordern sie Freiheit für Palästina und Sicherheit für Israel oder beschränken sie sich auf ersteres?