Israelische Flagge als Provokation: Rotes Tuch - blauer Stern
Ist das Zeigen einer israelischen Flagge eine Provokation gegenüber Muslimen? Für einige Polizisten schon - sie sammelten die weiß-blauen Fahnen bei einer Friedensdemonstration ein.
Früher entschieden die Behörden nach ganz exakten Kriterienkatalogen, wer wann einen Davidstern zu tragen habe. Heute schreitet die Polizei ein, wenn jemand zum falschen Zeitpunkt einen solchen in der Öffentlichkeit zur Schau stellt. Letzten Samstag in Duisburg etwa stürmten behelmte Beamte eine Wohnung, um eine israelische Flagge aus dem Fenster zu nehmen, die von den Bewohnern dort aufgehängt worden war. Man habe Deeskalation betreiben wollen, hieß es seitens der Staatsgewalt später. Denn die Fahne hatte Demonstranten, die vor dem Haus vorbeizogen, zum Rufen von Hassparolen und dem Werfen von Schneebällen und anderen Gegenständen angestachelt.
Tatsächlich gab es für deeskalierende Bemühungen allen Grund. Man könnte allerdings - wenn man nicht gerade bei der Duisburger Polizei arbeitet - auf die Idee kommen, dass Maßnahmen anderswo eher angebracht gewesen wären. Ungefähr zehntausend Menschen machten in Duisburg von ihrem Recht Gebrauch, ihre Meinung kundzutun. Die Islamische Gemeinschaft Milli Görus hatte zu einer Demonstration aufgerufen, die dem Protest gegen den israelischen Militäreinsatz in Gaza Ausdruck verleihen sollte. Das taten die Demonstranten unter anderem, indem sie Plakate zeigten, die Israels Außenministerin Zipi Livni als "Killer" und "Babymörder" bezeichneten. Das beliebte Bildmotiv des "Blutbads", das die Juden der Folklore nach gerne mal anrichten, durfte ebenfalls nicht fehlen.
Auch in Mainz wurde am Samstag marschiert. Auf der Demo der "Mainzer Initiative für Frieden in Gaza" wurde Israel mit den Nazis gleichgesetzt. Man fragte außerdem: "Soll Gaza Auschwitz werden?" Das Arsenal der Slogans wäre nicht komplett gewesen, hätte man dem jüdischen Unmenschen nicht auch noch unterstellt, er labe sich am Blut der Unschuldigen: "Israel trinkt das Blut unserer Kinder", hieß es auf einem Plakat in Mainz. Wer nun den Eindruck bekommen hat, es habe sich bei den Demos um Veranstaltungen gehandelt, bei denen antisemitische Parolen zumindest geduldet waren, der liegt richtig. Es ist auch gut so, dass die Antisemiten in Deutschland marschieren dürfen, dann weiß wenigstens jeder, woran er ist.
Seltsam wird es allerdings, wenn Polizisten, die ungerührt Demos begleiten, auf denen solche Slogans gezeigt und skandiert werden, empfindlich reagieren, wenn sich jemand dem antisemitischen Mob mit einem Davidstern entgegenstellt. Das passiert immer wieder, ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz nimmt. Und so geschah es am Samstag nicht nur in Duisburg, sondern auch in Mainz.
Dort hatte es ein ganzes Grüppchen gewagt, die Friedenskundgebung mit Israelfahnen zu begleiten. Das fanden die Demonstranten gar nicht gut. Mit Rufen wie "Ihr Judenschweine!'"und geballten Fäusten stürmten Demoteilnehmer in Richtung der Gruppe mit den Israelfahnen. Diese flohen nach Augenzeugenberichten in ein Kaufhaus. Im Regionalfernsehen erinnerte sich später Polizeisprecher Kai Süßenbach an den Vorfall: "Es gab eine Provokation auf der Höhe des Kaufhofs, wo eine Gruppe von Personen provozierend mit einer israelischen Fahne gewunken hat." Da bestand Handlungsbedarf, und "diese Personen wurden personalmäßig festgestellt". Da es sich um keine Israelis gehandelt habe, könne man nun tatsächlich davon ausgehen, dass hier Provokateure am Werk gewesen seien. Dieser Ansicht war anscheinend auch das Personal bei Kaufhof, das laut Berichten den Halunken Hausverbot erteilte. Wo kämen wir auch hin, wenn jeder, wies ihm grade passt, friedliche Friedensdemonstranten mit Davidsternen zur Weißglut bringt und daraus Straftaten entstehen, weil die Friedensdemonstranten nicht mehr an sich halten können?
Das alles erinnert an eine schöne Geschichte, die sich einst der Kabarettist Gerhard Polt ausgedacht hat. Er lässt einen Oktoberfestrausschmeißer erzählen, wie er einmal seine Menschenkenntnis bewiesen hat. Eines Tages sei es hoch hergegangen im Festzelt. Es wurde gesoffen und gebrüllt, die Menschenmasse wogte. Da entdeckt der Spezialist, dessen Vater schon beim Saalschutz tätig war, dann aber seinen Job aufgrund der damaligen "Massenturbulenzen" verloren hat, einen verdächtigen Mann. Ganz ruhig, fast regungslos sitzt der da - und trinkt Wasser! Da tritt der Rausschmeißer entschlossen in Aktion und befördert den Stillen, selbstredend unter Einsatz angemessener Gewalt, vor die Tür. Bravo, lobt der Chef daraufhin das psychologische Feingefühl seines Ordners: Das hätte kein Mensch gemerkt, dass der Mann stört!
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