Israelisch-Palästinensischer Dialog: Frieden von unten
Die israelische Aktionsgruppe "Andere Stimme" im Kibbuz Saad hält den Dialog mit Palästinensern aufrecht. Die Mitglieder hoffen darauf, dass nach dem Krieg die Grenzen aufgemacht werden.
KIBBUZ SAAD taz Israels Channel 2 schaltet jeden Abend zur Nachrichtensendung live in den Kibbuz Saad. Dort steht einer der beiden "Anchor"-Leute auf einem Hügel. Im Hintergrund sehen die Zuschauer das nächtliche Panorama des Gazastreifens und hören das regelmäßige dumpfe Knallen der Panzerraketen.
Nur ein paar Meter von dem Ü-Wagen entfernt traf sich diese Woche eine Gruppe, um das zu tun, woran die israelische Berichterstattung bislang scheiterte: einen Blick auf die Menschen in Gaza zu werfen. Sie nennen sich die "Andere Stimme". Das sind Israelis, die in Reichweite der Kassam-Raketen leben und doch den Dialog suchen.
Nach mehreren Versuchen gelang es Eric Yellins endlich, eine Verbindung herzustellen. "Samir, sag uns, wie es euch geht!", ruft Eric, der selbst in Sderot lebt. Durch das Telefon tönt eine erschütternde Gewehrsalve. "Da hast du deine Antwort." Der junge Palästinenser am anderen Ende der Leitung klingt verzweifelt. "Wir wissen nicht, ob wir überleben werden. Hier ist es nirgendwo mehr sicher." "Halte durch, wir beten für eine schnelle Waffenruhe", sagt der Israeli. Als die Verbindung abbricht, herrscht betretene Stille.
Die Gruppe hat schwere Zeiten durchgemacht und über dem Für und Wider des Kriegs zahlreiche Mitglieder verloren. Der Rest sucht nach einem Dialog zwischen den beiden Völkern. "Frieden von unten" ist der Slogan, und das Ziel der Vereinigung ist es, Normalität herstellen.
"Mehr als tausend Menschen sind gestorben. Wer wird überhaupt noch mit uns reden wollen?", fragt einer der Aktivisten. Eine Druckwelle rüttelt an den Fensterscheiben, nachdem es in der Nähe zu einer Explosion gekommen ist.
Angefangen hat die "Andere Stimme" vor etwa einem Jahr mit einem Blog zwischen einem Israeli, der unter dem Decknamen "hopeman" schreibt, und seinem palästinensischen Partner "peaceman". Inzwischen sind rund hundert Israelis und zwanzig Palästinenser regelmäßig in Kontakt. "Wenn dieser Krieg etwas Gutes bringen soll, dann, dass die Grenzen aufgemacht werden", meint Eric. Dann, so hofft er, könnten sich die Aktivisten der "Anderen Stimme" endlich persönlich kennenlernen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“