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Israel will aus der Schußlinie kommen

Regierungschef Benjamin Netanjahu, der Geheimdienst Mossad und die israelischen Zeitungen beteuern, Israel habe mit der Entführung des kurdischen PKK-Führers Abdullah Öcalan in die Türkei nichts zu tun  ■ Aus Jerusalem Susanne Knaul

Auf allen Ebenen versucht Israel zu verhindern, daß die Auseinandersetzungen mit den Kurden eskalieren. „So wie wir nicht wollen, daß die Türken uns in den Konflikt hineinziehen, wollen wir auch nicht von den Kurden hineingezogen werden“, hieß es aus dem Umfeld des Premierministers. Benjamin Netanjahu wandte sich zwar nicht direkt an die Kurdische Arbeiterpartei PKK, ließ der Separatistenbewegung aber über Kontaktleute mitteilen, daß „wir am Konflikt nicht beteiligt sind“. Ein ungewöhnlicher Schritt: Der Chef des israelischen Mossad, Efraim Halevy, sandte ein offizielles Schreiben an alle Mitarbeiter, in dem ebenfalls betont wird, daß Israel an der Entführung Abdullah Öcalans nicht mitgewirkt habe.

Auch die israelischen Tageszeitungen, die sich seit der blutigen Auseinandersetzung in der Berliner Vertretung ausführlich mit dem Thema auseinandersetzen, schreiben übereinstimmend und nachdrücklich, daß „die Kurden nicht unser Feind sind“, so der Kommentartitel der liberalen Tageszeitung Haaretz. „Alles, nur keine kurdische Front“, heißt es bei Maariw und: Israel sei „als Alliierter der verhaßten Türkei zum Sündenbock geworden“, schreibt Ron Ben-Yihai von der Yediot Achronot.

Die Israelis machen unter anderem die internationale Berichterstattung dafür verantwortlich, daß der Verdacht einer israelischen Beteiligung an der Entführung Öcalans entstanden ist. So habe die Deutsche Presse-Agentur diese Möglichkeit erwähnt, und auch andere deutsche Zeitungen hätten eine Mittäterschaft Israels „angedeutet“. Auch die französische Humanité sowie Die Presse in Wien berichteten über die Rolle des amerikanischen und israelischen Geheimdienstes. Ankara habe alles getan, „um sich dieses kleine Geschenk zu verdienen“, so schrieben die Franzosen. Das seien „unbegründete Anschuldigungen gegen Israel“, konterte wiederum die israelische Zeitung Haaretz.

Zweifellos waren sich Israel und die Türkei gerade im nachrichtendienstlichen Bereich nähergekommen, und auch die erste Reaktion aus dem Amt des Premierministers ließ berechtigte Skepsis aufkommen. Aviv Buschinsky, Sprecher des Ministeriums, reagierte zunächst mit „kein Kommentar“, was in der Regel eine Mittäterschaft indiziert. Buschinsky, so interpretierten politische Beobachter, sei sich zunächst nicht im klaren darüber gewesen, ob es nicht möglicherweise doch Beweise für eine Mossad-Beteiligung gibt. Die klare Leugnung wurde später nachgeliefert.

Während die PKK nicht nur von syrischer Seite unterstützt worden ist, sondern auch mit der Hisbollah und palästinensischen Widerstandsgruppen in enger Verbindung stand, hatte Öcalan wiederholt versichert, daß israelische oder jüdische Einrichtungen nichts von seiner Bewegung zu befürchten hätten. Zu Quasipartnern wurden Israel und die Kurden im Kampf gegen den irakischen Staatschef Saddam Hussein. Überdies solidarisieren sich weite Teile der israelischen Bevölkerung mit dem kurdischen Befreiungskampf. So ist zum Beispiel Israels ehemaliger Verteidigungsminister und jetziger Anwärter für das Amt des Premierministers, Jitzhak Mordechai, kurdischer Abstammung.

Dennoch stößt die von kurdischer Seite geäußerte Forderung, Israel solle sich für die Tötung der drei Demonstranten in Berlin entschuldigen, auf taube Ohren. Der Allgemeinde Israelische Geheimdienst Schabak hat den Befehl zur Feuereröffnung im israelischen Konsulat erneut verteidigt. Die israelischen Wachposten hätten zunächst versucht, die Eindringlinge mit dem eigenen Körper zurückzudrängen, dann Warnschüsse abgegeben und erst „als letzte Maßnahme“ mit scharfer Munition auf die Demonstranten geschossen. Der Nachrichtendienst leitete aber zusammen mit dem Außenministerium eine Untersuchung ein, um zu klären, ob das Eindringen der Demonstranten nicht von vornherein hätte verhindert werden können.

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