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Isolde CharimKnapp überm BoulevardNach dem Vorbild Trumps: Durchregierenohne Wenn und Aber

Foto: privat

Sie hatten es schon zu einer eigen Bezeichnung gebracht – die Verhandlungen zwischen der bürgerlichen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ: „österreichische Verhältnisse“. Die Verhältnisse haben sich dann doch als zu kompliziert erwiesen. Denn die Verhandlungen sind gescheitert. Nicht aus demokratiepolitischen Erwägungen, sondern an inkompatiblen Machtansprüchen.

Nach diesem Scheitern der zweiten Koalitionsverhandlungen hat der Präsident die Frage gestellt: Warum ist es diesmal so kompliziert, eine neue Regierung zu finden? Denn während die Wahlen in Deutschland zwei Tage her sind, sind sie es in Österreich seit 5 Monaten. Eine lange Zeit für eine Regierungsbildung. Die Antwort des Präsidenten: Weil es weniger Bereitschaft zur Einigung gibt. Er attestierte allen Parteien, jede hätte nur den eigenen Standpunkt im Blick. In der Politik gehe es aber, so Van der Bellen, um das Staatsganze. Sein Fazit: „Der Kompromiss ist in Verruf geraten.“ Aber warum? Das ist die zentrale Frage jeder derzeitigen Regierungsbildung.

Schon in den 1930er Jahren warnte der Staatsrechtler Hans Kelsen: Die Kompromisslosigkeit der politischen Parteien, ihr Unwillen zur Kooperation würde die Demokratie bedrohen. Was wie ein Kommentar zur aktuellen Situation klingt, galt der Weimarer ebenso wie der Ersten Republik. Denn Demokratie sei, so der Autor der österreichischen Verfassung, die politische Form „des Ausgleichs der Gegensätze, der gegenseitigen Verständigung auf der mittleren Linie“. Eine Mahnung, die sich ebenso gegen das Freund-Feind-Schema wie gegen den Ruf nach dem Tatmenschen richtete, so Tamara Ehs.

In der langen Nachkriegszeit galt der Kompromiss demgemäß auch als Stärke der Demokratie. Aber er hat eine Umcodierung erfahren. Nun hat er den Geruch von Schwäche. Und als stark gilt Entschlossenheit, Durchsetzungskraft. Denn das ist die vorherrschende Vorstellung von politischem Handeln.

Das Role Model für politisches Handeln scheint derzeit Donald Trump zu sein. Mit seinem bedingungslosen Machtanspruch, seiner Flut an Dekreten ist er für viele zum Inbegriff des Handelnden geworden. Vor allem für Politiker. Mit seiner Mischung aus Kompromisslosigkeit, seiner Unberechenbarkeit und Rigorosität jenseits aller Abwägungen prägt er das, was vielen als politisches Handeln gilt: Durchregieren ohne Wenn und Aber. Ohne Rücksicht.

Es mag nur ein neuer Stil für alte Machtpolitik sein. Aber dieser zündet. Und seine Faszination reicht weit. Offenbar entdecken jetzt viele den Trump in sich. Trump hat die Schleusen geöffnet. Friedrich Merz, Markus Söder, Christian Lindner, Alice Weidel – alle scheinen seinem Sog erlegen. Das erfolgreiche Trump-Modell wirkt aber weit über direkte Bezugnahmen hinaus. Sozusagen subkutan.

Für die extreme Rechte aber entbehrt dieses Vorbild nicht einer gewissen Absurdität. Denn diese fühlte sich dem Westen nie wirklich zugehörig. Stand dieser doch für Liberalismus und Demokratie. Sie zog es nach Osten. Denn dieser stand für Sicherheit, Ordnung und feste Grenzen. So war und ist auch Putin das erste Role Model für Rechte gewesen. Für sie galt: Der Westen rede nur, Putin aber handle, so der Historiker Volker Weiß. Jetzt aber wurde Putin als Vorbild durch Trump abgelöst. Denn dieser ist es, der das, was der Westen ist, umgekrempelt.

Gegen die regelbasierte Ordnung wird nun der Ausnahmezustand gesetzt. In doppelter Weise: Er wird prolongiert, auf Dauer gestellt. Und er wird in einen endlosen Strom von Einzelmaßnahmen übersetzt. Wenn Van der Bellen daran erinnert, dass Kompromisse an die Vorstellung des Staatsganzen gebunden sind, dann zeigt der Trump’sche Dynamismus: Er hat eine andere Staatsidee. Eine, die direkt und ausschließlich an ihn gebunden ist. Das ist das neue politische Handlungsmodell. Und dieses wirkt bis ins kleine Österreich, wo es manchem zu Kopf gestiegen ist. Bis es dann an der österreichischen Realität zerbrochen ist.

Die Autorin ist Publizistin in Wien.

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